Pressemitteilung: Verbotene Hammerskins betreiben Tattoo-Studio in Wiesloch

Am 22. September 2023 veröffentlichten wir eine Pressemitteilung zum Wieslocher Tattoo-Studio „Pik Ass“:

Verbotene Hammerskins betreiben Tattoo-Studio in Wiesloch

Seit 24. Januar 2022 betreiben Personen aus den Strukturen der am 19. September 2023 verbotenen rassistischen „Hammerskins“ ein Tattoo-Studio mit Schankwirtschaft im „All In“ im Wieslocher Eichelweg 9/1. Unter dem Namen „Pik Ass Studios GmbH“ ist das Unternehmen beim Amtsgericht Mannheim eingetragen. „Pik Ass“ ist die Marke des Tätowierers Marco Berlinghof, der auch in Ketsch ein Tattoo-Studio betreibt. Geschäftsführer der Einrichtung in Wiesloch ist Wolfgang Benkesser.

Neben 27 Räumen, die Mitgliedern der „Hammerskins“ zugeordnet werden, wurde am 19. September im Zuge der Umsetzung des Verbots auch eine Wohnung von Benkesser in Düsseldorf durchsucht. Er ist dort Geschäftsführer einer Shisha-Bar. Auch Berlinghof wird den „Hammerskins“ zugerechnet. In den Jahren 2014, 2015 und 2017 geriet der Unternehmer in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD/IL) hatte mehrfach in Pressemitteilungen (siehe unten) auf die Aktivitäten Berlinghofs im Kontext der „Hammerskins“ sowie über seine Kontakte in die extrem rechte Szene aufgeklärt.

„Es ist allgemein bekannt, dass sich Mitglieder der Hammerskins als Unternehmer in Sachen rechter Subkultur betätigen“, betont Clara Grube, Sprecherin der AIHD/IL. „Neben dem Geschäft mit Rechtsrock und der Organisation von Kampfsportevents ist auch die Tattoo-Branche ein beliebtes Feld, auf dem die Neonazis teils große Umsätze generieren.“ Dabei würden diese Gelder sowohl zum Lebensunterhalt als auch zur Finanzierung von Aktivitäten der rechten Szene verwendet, unterstreicht Grube. „Sowohl Tattoos als auch Rechtsrock und Kampfsport gehören fest zum männlich geprägten, elitären Habitus der Hammerskins; sie sind aus der rechten Subkultur nicht wegzudenken.“

HINTERGRUND

Weitere Pressemitteilungen und Veröffentlichungen der AIHD/IL zum Thema:

25.06.2017
https://aihd.noblogs.org/post/2017/06/25/ketsch-schwetzinger-zeitung-waescht-nazi-die-braune-weste-weiss/

12.06.2017
https://linksunten.indymedia.org/de/node/215338/

19.10.2015
https://aihd.noblogs.org/post/2015/10/19/nazi-taetowierer-kondoliert-hammerskin-bruder/

23.08.2014
https://aihd.noblogs.org/post/2014/08/23/schwetzinger-zeitung-macht-pr-fuer-nazi-taetowierer/

Wolfgang Benkesser

Wolfgang Erwin Benkesser (geb. 1978) verbindet wie kein zweiter Vertreter der deutschen Hammerskins seine neonazistische Identität als Mitglied der rassistischen „Bruderschaft“ mit seiner Zugehörigkeit zu Rocker- und Rotlicht-Kreisen, wie auch zur Hooliganszene.
Benkesser, aktuell gemeldet in Düsseldorf, kommt ursprünglich aus Ludwigshafen. Schon ab Mitte der 1990er Jahre trat er als neonazistischer Schläger in Erscheinung. So attackierte er am Rande einer Kundgebung der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) im März 1999 in Mannheim einen Antifaschisten. Kurze Zeit später geriet Benkesser in den Fokus regionaler Medien, da der damals 20-Jährige seine Grundausbildung bei der Bundeswehr in Idar-Oberstein absolvierte. Die Presse fragte damals, wie es sein kann, dass ein bekannter Hooligan, Gewalttäter und Neonazi bei der Bundeswehr geduldet wird.
Im Sommer 2000 inszenierte Benkesser medial seine Abkehr von den „Jungen Nationaldemokraten“ und seinen „Ausstieg“ aus der rechten Szene, indem er u.a. im ZDF sowie im rheinland-pfälzischen Regionalfernsehen auftrat.
Zu dieser Zeit gehörte Benkesser der extrem rechten Hooligan-Szene des SV Waldhof Mannheim an und war in der NPD/JN organisiert. Er ist seit Gründung 2003 Mitglied der „Hammerskins Westmark“ (später Chapter „Westwall“) und war bei Konzerten der Bruderschaft, zum Beispiel beim „European Hammerfest“ 2012 in Frankreich, als Security tätig. Vieles deutet darauf hin, dass er heute den Posten des „Sicherheitschefs“ bei den Hammerskins besetzt. Er reist seit 19 Jahren auf Hammerskin-Events im In- und Ausland und nutzt selbst seine Urlaube für politische Aktionen. So legte er bei einem Aufenthalt auf Kreta (Griechenland) im Jahr 2016 auf einem Friedhof, auf dem Soldaten der faschistischen Wehrmacht begraben sind, einen Kranz der „Hammerskin Nation“ ab.
Bereits im Jahr 2005 arbeitete Benkesser in Mannheim bei einem Sicherheitsunternehmen. 2007 zog er nach Hamburg und fand bald Zugang zum Kreis des lokalen „Hells Angels MC“. Im Oktober 2016 verwies er in den sozialen Netzwerken auf seine Tätigkeit als Türsteher in einem Bordell, das dem Einflussbereich des Motorradclubs zugerechnet wird. Benkesser, der seit 2014 selbst einen Motorradführerschein besitzt, nahm regelmäßig an Events des „Hells Angels MC“ teil. Etwa im Sommer 2019, als er an einer Ausfahrt der Rocker zur „Hells Week“ an die Côte d‘Azur (Frankreich) teilnahm. In diesem Milieu machte er nie einen Hehl aus seiner neonazistischen Gesinnung und seiner Zugehörigkeit zur „Hammerskin Nation“. So posiert er auf einem Foto einer Feier des „Hells Angels MC“ und dessen Unterstützerclubs „Clan 81“ in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2016 mit dem „Crossed-Hammers“-Gruß.
Benkesser trägt auf der linken Schulter ein riesiges Hakenkreuz als Tattoo, das er in den sozialen Netzwerken ohne Scheu zeigt. Das Logo der Hammerskins, die gekreuzten Zimmermannshämmer mit dem Zahnrad des „Reichsarbeitsdienstes“, trägt er als Tattoo im Nacken und an der Innenseite seines linken Oberarms.
Benkesser ist seit Ende der 1990er Jahre in der rechten Hooliganszene des SV Waldhof Mannheim beheimatet, unterhielt während seiner Zeit in Norddeutschland aber auch Kontakte zu Hooligans des Hamburger SV. Mit dem aus Mannheim stammenden Marco Aschenbrenner, der als Schlüsselfigur der Hooliganszene des HSV gilt, verbrachte er 2011 seinen Urlaub. Noch im Jahr 2021 beteiligte sich Benkesser auf Seite der Mannheimer an einer verabredeten Schlägerei, u.a. gegen Hooligans des Berliner Fußballclub Dynamo. Benkesser ist aktiver Kampfsportler und war 2016 auf dem neonazistischen Event „Kampf der Nibelungen“ in Gemünden (Hessen) präsent. Vermutlich kämpfte er dort auch.
2020 zog Wolfgang Benkesser nach Düsseldorf. Er ist Mitbetreiber der 2020 eröffneten „Shisha-Bar Aolani“ in Kleve am Niederrhein. Am 6. Dezember 2020 nahm er an einer Kundgebung der „Querdenken“-Bewegung in Düsseldorf teil. Vor Beginn der Veranstaltung beteiligte er sich an einem Angriff auf Antifaschist*innen am Duisburger Hauptbahnhof.
Am 24. Januar 2022 wurde der „Betrieb eines Tattoo-Studios mit Schankwirtschaft und Beteiligung an anderen Unternehmen“ unter dem Namen „Pik Ass Studios GmbH“ in Wiesloch beim Amtsgericht Mannheim eingetragen. „Pik Ass“ ist die Marke des Tätowierers Marco Berlinghof. Geschäftsführer in Wiesloch ist Wolfgang Benkesser.
Zusammen mit anderen Vertretern der Hammerskins nahm Benkesser am 10. Dezember 2022 an der Beisetzung des Mannheimer Neonazis Christian Hehl im pfälzischen Dudenhofen teil. Neben Benkesser waren auch seine „Brüder“ vom Chapter „Westwall“ Malte Redeker und Sebastian Kahlmann sowie der (ehemalige) Hammerskin Marc Hoppe vor Ort.
Am 6. Mai 2023 war Wolfgang Benkesser Teil der Organisationsstruktur der „European Fight Night“ (EFN) im ungarischen Csókakö. Die Kampfsportveranstaltung gilt als internationales Treffen kampfwilliger Neonazis, die maßgeblich von europäischen Strukturen der Hammerskins organisiert wird. Vor Ort waren einige Vertreter der Strukturen rund um das deutsche Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“, welches vom europäischen Hammerskin-Chef Malte Redeker initiiert worden war. Bei der EFN in Ungarn war Benkesser als Zeitnehmer eingesetzt.
Im Zuge des Verbots des deutschen Ablegers der Hammerskins durch das Bundesinnenministerium am 19. September 2023 wurde auch eine Wohnung Benkessers in Düsseldorf von der Polizei durchsucht. Er wird von den Behörden offensichtlich als wichtige Person im Netzwerk der rassistischen Bruderschaft eingestuft.

Benkesser und die Hammerskins

Als ein „Hotspot“ der Hammerskins entwickelte sich Viernheim am südlichen Zipfel von Hessen. Im Süden grenzt die Stadt an Mannheim, nach Osten ist es nur ein Spaziergang nach Weinheim. Im Mai 1998 überfiel eine Gruppe von Neonazis das als alternativ angesehene „Café Central“ in Weinheim. Mit dabei waren die späteren Hammerskins Wolfgang Benkesser, Stephan Oppelt und Dennis Kühlwein, damals 19, 18 und 16 Jahre alt. Augenscheinlich hatte sich in der Gründerzeit der „Hammerskins Westmark“ eine kleine Clique von Naziskins aus den Nachbarstädten Viernheim und Lampertheim den Hammerskins angeschlossen, die Rechtsrock-Konzerte und -Partys besuchten.
Im Jahr 2013 fiel der Tätowierer Marco Berlinghof im Rhein-Neckar-Raum zum ersten Mal im Kontext der „Hammerskin Nation“ auf. Mit einer Gruppe von deutschen Hammerskins des erst kurz zuvor in „Westwall“ umbenannten Chapter „Westmark“ war er nach England zu einem Neonazikonzert gereist. Im Rahmen des Trips besuchte die Gruppe u.a. die historische Stätte Stonehenge und stellte sich dort zum Gruppenbild auf. Berlinghof trug dabei ein Shirt, mit dem er sich als Prospect (Anwärter) der Hammerskins zu erkennen gab.
Den Prospect-Patch (Aufnäher) auf der Kluft trug er noch am 12. Juni 2014, als er an einem Hammerskin-Treffen in Berlin teilnahm. Wann er zum Fullmember wurde, ist nicht bekannt. Seine Urlaube 2014, 2016 und 2017 verbrachte Berlinghof mit seinen „Brüdern“ auf Mallorca. Auf dem Oberkörper des umtriebigen Geschäftsmanns prangt die Tätowierung einer Runenfolge, die das Wort „Herrenrasse“ ergibt. Das „SS“ im Wort ist dabei mit zwei „Sig“-Runen dargestellt, so wie es die Nationalsozialisten im Abzeichen der SS benutzten. Neben dem Schriftzug befindet sich eine tätowierte „Schwarze Sonne“ – ein ebenfalls aus der NS-Zeit stammendes Symbol, das drei übereinander gelegte Hakenkreuze zeigt. Seine Arme zeigen Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg.
Als die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD/IL) im Juni 2017 Informationen zu den beteiligten Hammerskins und deren Umfeld bei der „Nazi-Party auf Mallorca“ veröffentlichte, fiel auch der Name Marco Berlinghof. Dieser hatte zusammen mit anderen Hammerskins, darunter Malte Redeker und Wolfgang Benkesser, an einer Fahrt auf die Balearen-Insel teilgenommen. Bereits im August 2014 und im Oktober 2015 hatte die AIHD/IL auf die Aktivitäten und Kontakte des Unternehmers hingewiesen.
Berlinghof behauptete kurz darauf in der Presse, dass er kein Anhänger der Hammerskins sei und nicht jeden aus der „Touristengruppe“ auf Mallorca gekannt habe. Auf Neonazi-Treffen wurde er seitdem nicht mehr festgestellt, eine Distanz zu den Hammerskins ist jedoch nicht zu erkennen.
2019 verbrachte Marco Berlinghof seinen Urlaub gemeinsam mit dem Hammerskin Wolfgang Benkesser in Argentinien. Im Frühjahr 2020 bewarb Berlinghof innerhalb sozialer Netzwerke die Eröffnung einer Shisha-Bar in Kleve, dessen Mitbetreiber Benkesser ist. Berlinghof leitet das angesehene Studio „PikAss Tattoo“ in Ketsch bei Heidelberg. Sein Unternehmen scheint zu florieren. Die Zahl seiner Angestellten wächst und im April 2021 wurde Berlinghof für „herausragende unternehmerische Leistungen“ ein Preis namens „Mission Mittelstand-Award“ verliehen.
Für die Kontakte der Nazi-Szene in die Mannheimer Fußballszene steht Wolfgang Benkesser bis heute. Er ist seit Mitte der 1990er Jahre als Neonazi aktiv, gehört zum Gründerkreis des Chapter „Westmark“ und gilt als enger Vertrauter von Malte Redeker, einem führenden Kopf der europäischen Hammerskins. Schon 2003 posierte Benkesser mit dem „Crossed-Hammers“-Gruß auf einem Gruppenbild im Rahmen eines „Ackerkampfes“ gegen andere Hooligans. Er blieb seinem Chapter, wie auch der Mannheimer Hooliganszene treu, auch als er 2007 nach Hamburg zog.

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