Rede beim Antifa-Spaziergang zur Normannia am 29. Juli

Mit einem lautstarken, kämpferischen Antifaschistischen Spaziergang wurde am 29. Juli 2023 der Nazi-Burschenschaft Normannia deutlich gemacht, dass sie keine Chance bekommt, sich wieder neu zu berappeln und ihre braunen Umtriebe unter neuem Label fortzusetzen. Nach einer Auftaktkundgebung am Uniplatz zogen über 70 Antifaschist*innen vor das Haus Am Kurzen Buckel, vor dem unter anderem eine Rede der AIHD/iL auf die aktuelle Situation der Nazi-Burschenschaft einging:

Liebe Genoss*innen, liebe Antifaschist*innen,

wir stehen heute erneut vor dem Haus der Burschenschaft Normannia.
Wie aus veröffentlichten Emails hervorgeht, wurde auf dem „Generalconvent“ am 29. April 2023 beschlossen, dass die Burschenschaft Normannia sich in Burschenschaft Cimbria umbenennen will und aus dem Nazi-Dachverband Deutsche Burschenschaft austreten wird. Einen Tag später, am 30. April zogen über 400 Antifaschist*innen genau hier am Haus vorbei. Wie vor einigen Monaten besteht auch heute keine endgültige Klarheit, was genau in dem Haus vor sich geht. Aber einige Sachen sind klar:
Die Burschenschaft Normannia ist seit dem antisemitischen Angriff 2020 und dem folgenden Medienrummel in einer Defensive, aus der sie sich nur schwer und vielleicht nie wieder erholen wird.
Man könnte also fragen, warum wir heute hier sind, wenn möglicherweise niemand von denen, gegen die wir protestieren, dort drinnen ist. Die Antwort auf diese Frage ist: Weil wir nicht warten werden, bis sich eine neue Aktivitas einnistet. Weil wir nicht zulassen, dass die Normannia sich mit einer Umbenennung ihrer Geschichte entledigt. Weil wir dafür kämpfen, dass die Burschenschaft Normannia sich nie wieder von ihren Rückschlägen erholt und ein für alle Mal von der Bildfläche verschwindet. Die Villa Stückgarten, das Herzstück der Normannia und jahrelanger Vernetzungsort der lokalen und regionalen Rechten, ist das letzte und sichtbarste Hab und Gut der Nazi-Burschenschaft. Die verbliebenen Alten Herren werden vieles tun, um das Haus als finanzielle und ideologische Stütze zu erhalten und wir werden ebenfalls nicht die Augen davon lassen. Unser primäres Ziel ist, dass das rechte Netzwerk ihren größten Rückzugsort verliert und dort keine Basis mehr aufbauen kann. Dafür gibt es viele Wege. Die internen Dokumente zeigen, dass der Kontostand des Hausvereins „Villa Stückgarten e.V.“ zwar noch hoch ist, aber weiter sinkt. Denn: Seit 2020 sind die Alten Herren, also die Geldgeber, massenweise ausgetreten; die einen, weil sie völlig überraschend aus den Medien erfuhren, dass sie in einer Nazi-Struktur mitwirken, die anderen, weil ihnen der neue, angeblich liberalere Kurs, der zur Rettung der Normannia führen soll, zu wenig nationalsozialistisch ist. Zu erwähnen ist in diesem Kontext auch die Demographie des Vereins, denn viele der Alten Herren sind tatsächlich sehr alt. Dass Beitragszahler nach und nach einfach aussterben, während keine neuen Generationen nachkommen, wird für die Struktur ein sehr ernthaftes Problem. Insgesamt hat sich die Zahl der Alten Herren der Burschenschaft Normannia seit September 2020 bis Februar 2023 auf fünzig halbiert. Als Konsequenz wurden die Beiträge für jeden Einzelnen erhöht, womit sich der Altherrenverband Zeit erkauft.
Hinzu kommt dann auch noch eine ausstehende Prüfung des Heidelberger Finanzamtes, denn der Verein, der das Haus verwaltet, der „Villa Stückgarten e.V.“ ist Stand jetzt, so absurd das klingt, gemeinnützig. Eine Prüfung dieser Gemeinnützigkeit für 2021 bis 2023 durch das Heidelberger Finanzamt steht noch aus. Falls das Finanzamt Heidelberg dem Hausverein den Status der Gemeinnützigkeit aberkennt, verliert der Verein möglicherweise sein Vermögen und damit auch die Villa, die laut Satzung, welche die Normannia diesbezüglich nicht mehr rückwirkend ändern kann, an die Universität Heidelberg geht.
Damit besteht die reale Chance, dass die „Villa Stückgarten“ ins Eigentum der Universität Heidelberg übergeht. Aus unserer Sicht wäre das zwar deutlich besser als der Status quo, wir stellen uns jedoch eine tatsächliche Vergesellschaftung vor, bei der ein progressiver und tatsächlich gemeinnütziger Verein entscheiden kann, wie das Haus zukünftig genutzt werden soll. Die „Alten Herren“ jedenfalls versuchen ihre „Villa Stückgarten“ – über alle Skandale hinweg – als Basis zukünftiger burschenschaftlicher Aktivitäten zu bewahren. Dabei sind wir bei weitem nicht die einzigen, die sich für die Villa der Normannen interessieren: So erkundigte sich im November 2020 beispielsweise eine Verbindung aus München, ob das Haus der Normannen zum Verkauf stehe: Das Interesse wurde auch damit begründet, dass die Sorge bestehe, dass das Haus an die Universität oder sogar an „die“ Antifa fallen könnte. Es zeigt sich also, dass dieses Haus, an dem wir heute stehen, einen entscheidenden Faktor in der Frage spielt, ob es der Normannia oder bald Cimbria gelingt, eine neue Aktivitas aufzubauen, oder nicht.
Die veröffentlichten Dokumente zeigen umfangreich, unter welchem Druck der Altherrenverband in der Verteidigung des Hauses steht, und offengestanden hat es wirklich Spaß gemacht, die verzweifelten und niedergeschlagenen Mailwechsel der Nazis zu lesen.
Es reicht aber nicht aus, deren Machenschaften zu lesen und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren, denn kein rechtes Netzwerk wurde allein durch darauffolgende Empörung und Online-Kommentare zerstört. Am Fall der Normannia zeigt sich erneut, dass antifaschistische Arbeit auf vielen Ebenen stattfinden muss: Recherche, Aufklärung und direkte Aktionen. Wir müssen wissen, mit wem und was wir es zu tun haben, wir müssen möglichst viele Menschen darüber informieren, politisieren und Verständnis für unsere Positionen schaffen. Zuletzt braucht es aber ebenso Aktionen, die rechte Netzwerke in ihrem Handeln einschränken und ihnen verdeutlichen, dass wir ihnen überall dort entgegentreten, wo sie sichtbar werden.
Es liegt an uns, wie oft wir noch VOR diesem Haus stehen. Die Normannia ist am Boden. Sorgen wir dafür, dass sie nicht mehr aufsteht.

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