Bullenpropaganda in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Heidelberg

„FREUNDE – HELFER – STRASSENKÄMPFER“: Bullenpropaganda in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Heidelberg

Am 30. März beginnt in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg in der Pfaffengasse die Sonderausstellung „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer. Die Polizei in der Weimarer Republik“. Die Wanderausstellung des Polizeimuseums Niedersachsen soll in Heidelberg die „widersprüchliche“ Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik nachzeichnen und wird neben der Friedrich-Ebert-Stiftung durch das Polizeipräsidium Mannheim (das auch für Heidelberg zuständig ist) unterstützt. Darüber hinaus soll es am 27. April ein Podiumsgespräch mit dem Titel „Wer schützt die Demokratie? Wer schützt die Polizei?“ geben, zu dem der Leiter des Mannheimer Polizeipräsidiums eingeladen ist.

Dass die Polizei ihr Image in der Region mit einer Ausstellung wie dieser aufbessern will, ist naheliegend: Die zahlreichen Fälle von dokumentierter tödlicher Polizeigewalt brachten letztes Jahr viele Menschen auf die Straße. Legitimation, Akzeptanz und Zuspruch sind Ressourcen, die die Polizei gerne als politische Waffe in den nächsten Einsatz mitnehmen möchte, um weiterhin die allgemeine Deutungshoheit über jeden von ihr verursachten Konflikt zu behalten. Gerade bei vielen jungen Menschen, besonders bei denen mit so genanntem „Migrationshintergrund“, ist das Bild der Polizei weit entfernt von der Bezeichnung der Ausstellung: Für sie steht die Polizei für Schikane, Willkür und Gewalt. Es ist nicht mal ein Jahr her, dass Mannheimer Cops am 2. Mai einen Menschen am hellichten Tag auf offener Straße gefesselt und totgeschlagen haben. Am 10. Mai 2022 starb ein weiterer Mannheimer, nachdem Polizisten in seine Wohnung eingedrungen waren und auf ihn geschossen hatten; die Obduktion erklärte, der Tote sei nicht an den Schüssen, sondern an Herz-Kreislauf-Versagen gestorben. Damit zählen beide Mannheimer Toten nicht zu den zehn Personen, die laut der Zeitung CILIP im Jahr 2022 von der Polizei erschossen wurden.
Die pseudokritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Polizei hat letztlich nur das Ziel zu zeigen, dass wir froh sein sollen über die Polizei, die wir heute haben. Neonazi-Netzwerke in der Polizei werden als Einzelfälle abgetan, und dass es ein strukturelles Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei gibt, leugnen ihre Dienstherren und Vertretungen, allen voran die reaktionäre Polizeigewerkschaft DPolG, konsequent. Wenn Linksliberale oder Cops von der „Notwendigkeit einer starken Demokratie“ sprechen, meinen sie damit nichts anderes als die Eingliederung jedes gesellschaftlichen Prozesses in die Regeln, Normen und Zwänge der bestehenden Verhältnisse. Wer sagt, dass genau diese Verhältnisse das Problem sind und dass sie beseitigt werden müssen, ist schnell ein*e schlimme*r Antidemokrat*in und wird aus dem bürgerlichen Diskurs gedrängt. Gleichzeitig versucht der Staat mit pseudokritischen Ausstellungen und Diskussionen, die Kritik und Wut über gesellschaftliche Missstände selbst zu übernehmen und völlig zu entschärfen. Das vollkommen Offensichtliche, wie die Tatsache, dass die Polizei in der Terrorherrschaft der Nazis problemlos aufging, wird als aufrichtige und reflektierte Selbstkritik verkauft, während tatsächliche Kritik über die Zustände damals und heute außen vor bleibt.
Für uns ist klar: Im kapitalistischen Staat schützt die Polizei die Interessen und die Ordnung der herrschenden Klasse und steht damit zwischen uns und der Überwindung des Kapitalismus. Das Überwältigen, Verletzen und Töten von Menschen gehört schlichtweg zu genau diesen Aufgaben.
Dass die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte reaktionäre Propaganda bei sich ausstellt, ist eigentlich nicht überraschend: War es doch gerade Reichspräsident Ebert, der 1919 die Rätebewegung von staatlichen Truppen und faschistischen Freikorps blutig niederschlagen ließ. 1920 setzte Ebert Reichswehr und Polizei gegen die Arbeiter*innen ein, die durch ihren Generalstreik den faschistischen Kapp-Putsch abgewehrt hatten. Dass die vielen Menschen, die 1921 wegen ihrer Beteiligung am Mitteldeutschen Aufstand von der Polizei ermordet wurden, ebenfalls auf Eberts Konto gehen, versteht sich von selbst, ebenso wie die Toten des Hamburger Aufstands 1924.
Auch wenn die Mordrate durch die „Ordnungshüter“ in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre etwas sank, bedeutet das keineswegs, dass die Einsatzkräfte der Weimarer Republik sich jemals zurückgehalten hätten. Brutale staatliche Maßnahmen gegen Demonstrationen und Arbeitskämpfe gehörten zum politischen Alltag, wenn auch in der Regel durch Knüppel- und Pferdeeinsatz mit zahllosen teils schwer Verletzten. Doch bald mehrten sich die polizeilichen Massaker erneut: Der Blutmai 1929 forderte Dutzende Tote und Hunderte Verletzte, als die Polizei unter dem SPD-Politiker Karl Zörgiebel vom 1. bis 3. Mai in Berlin auf Versammlungen, einzelne Passant*innen und Wohnungsfenster schoss, um das verhängte Demonstrationsverbot durchzusetzen. Und das ist nur eines von vielen Beispielen: Selbst die konservativen Zahlen der amtlichen Statistik belaufen sich für 1929 auf reichsweit 46 durch Polizeischüsse Getötete, und 1930 kamen mindestens 34 Menschen durch Polizeieinsätze ums Leben – meist hatten sie an politischen Versammlungen oder Streiks teilgenommen, die die Repressionsorgane mit oftmals mörderischer Gewalt zerschlugen. Ab 1931 schnellten die Zahlen empor, und für 1932 sind die Namen und Todesumstände von mindestens 81 von der Polizei Getöteten bekannt. Darunter waren beispielsweise die 18 Toten des „Altonaer Blutsonntags“ am 17. Juli 1932, als die Polizei auf antifaschistische Demonstrant*innen und unbeteiligte Anwohner*innen schoss. Kurz zuvor war der „Schießerlass“ des Innenministers Carl Severing (SPD) ergangen, der die Beamten am 2. Juli 1931 zum Schusswaffengebrauch „zur Brechung tätlichen Widerstandes“ aufforderte. Dieser Freibrief wurde von der Polizei genutzt, und staatliche Morde wie das Blutbad im Dresdner Keglerheim, dem am 25. Januar 1933 neun Arbeiter aus dem Vortragspublikum zum Opfer fielen, machten deutlich, dass die Sicherheitsbehörden der Weimarer Zeit nur darauf warteten, noch enthemmter gegen die Arbeiter*innenbewegung vorgehen zu können.
Für uns ist klar: Die Polizei war zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte „Freund und Helfer“, sondern hatte seit Beginn ihrer Existenz eine klare Aufgabe: Die bestehenden Besitzverhältnisse gegen jeden Widerstand von unten zu verteidigen. Diese Aufgabe erfüllt sie auch heute noch und geht dabei weltweit über Leichen. Dass die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte dieser Ausstellung eine Plattform bietet, überrascht uns mit Blick auf die Geschichte der Arbeiter*innenbewegung nicht.
Lasst euch nicht davon abhalten, der Ausstellung einen kritischen Besuch abzustatten.

No justice – no peace – fight the police!

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