Aufruf Straßenfest: Rechtswende im Dienste des Kapitals – Die AfD und ihre Steigbügelhalter


In Deutschland geht ein tiefer Riss durch die (ohnehin nicht solidarische oder gar befreite) Gesellschaft – das ist nicht zu leugnen. Fast 13 % aller Wähler*innen haben bei der Bundestagswahl 2017 die AfD gewählt – eine Partei, die kaum verhohlen faschistische Positionen vertritt und nun unter GroKo zur größten Oppositionspartei der so genannten Berliner Republik geworden ist. Bei den Nichtwähler*innen dürfte der Anteil extrem rechter Weltbilder kaum anders aussehen. Und selbst die blumigsten Schönredner*innen können nicht leugnen, dass die Grundlagen, die dem Großteil der Bevölkerung noch vor 20 Jahren eine gewisse „soziale Sicherheit“ garantiert hatten, derzeit zunehmend zerstört werden.

Die offensichtliche Tatsache, dass die Wahl der etablierten Parteien an diesen Verhältnissen nichts ändert, nehmen Rechte zum Anlass, ausgerechnet auf die Schwächsten in dieser Gesellschaft – das sind zurzeit jene Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind -, einzuprügeln. Aus Feigheit und Dummheit köcheln sie ein Gebräu aus purem Hass. Sie, die nie gewagt haben, gegen ihre Chefs und „Arbeitgeber*innen“ auch nur ganz zaghaft die Stimme zu erheben, terrorisieren Menschen, die mit nichts als ihrem puren Leben vor Hunger, Verfolgung und Krieg hierher geflüchtet sind. Die Pogromwelle, die gegen Geflüchtetenunterkünfte und so genannte „Ausländer*innen“ rollt, übertrifft bei weitem alles, was sich seit 1945 jemals offen in Deutschland Bahn gebrochen hat: 2017 hat es nach Angaben des BMI 2219 Angriffe auf Geflüchtete und Geflüchtetenunterkünfte gegeben…

Dabei können sich die Rechten mit gutem Grund als handfeste Vollstrecker*innen des Staatswillens fühlen. Seit dem Jahr 2000 sind an den EU-Außengrenzen 35000 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, die Mauern der Festung Europa zu überwinden. Das sind nur die offiziell gezählten Toten. Die Dunkelziffer kennt niemand. Das Mittelmeer ist heute zum größten Massengrab Europas geworden. Die Personen, die zu uns fliehen, flüchten vor Kriegen mit deutschen Waffen, vor Diktaturen, die vom Westen hochgepäppelt wurden, und vor der Ausplünderung ihrer Länder auch durch die deutsche Wirtschaft. Während beispielsweise die hochsubventionierte deutsche Landwirtschaft Afrika mit ihren Billigprodukten überschwemmt, verbieten so genannte Freihandelsabkommen afrikanischen Staaten die Besteuerung dieser Importwaren. Die gigantischen Gewinne der deutschen Wirtschaft, die kaum einer Besteuerung unterliegen und die zu besteuern die etablierten Parteien auch nicht beabsichtigen, plündern nicht nur Europas Süden aus, sondern stürzen ganze Kontinente in Hunger und Armut.

Das ist auch der Grund, weshalb die deutsche Politik Geflüchtete gern als angeblich „zentrales Thema“ aufgreift, obwohl die ökonomischen Belastungen durch die so genannte „Flüchtlingskrise“ im gesamten Staatshaushalt wirklich Peanuts sind. Keinem*r deutschen Staatsbürger*in geht es schlechter, weil Menschen zu uns fliehen. Vielen allerdings geht es schlechter, weil deutsche Konzerne – unterstützt von fast allen Politiker*innen – immer astronomischere Gewinne einstreichen. Die neue Bundesregierung folgt den Vorgaben der AfD-Politik, die mit immer neuen rechten Tabubrüchen die Stimmung anheizt, um den Volkszorn auf alle zu lenken, die in dieser Gesellschaft Außenseiter*innen sind oder zu Außenseiter*innen gemacht werden: CDU-Gesundheitsminister Spahn hetzt gegen Frauen, die abtreiben, und gegen Hartz IV-Empfänger*innen; die Große Koalition setzt allen Ernstes ein „Heimat“ministerium ein; dessen Minister Seehofer (CSU) stellt die irrwitzige Behauptung auf, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, und SPD-Arbeitsminister Heil kündigt die Einrichtung eines Arbeitsdienstes für Langzeitarbeitslose an.

Zeitgleich mit der ideologischen Rechtswende und der Beschleunigung der Umverteilung von unten nach oben wird der Ausbau des repressiven Sicherheitsstaates vorangetrieben. Selbst minimale Zugeständnisse der vergangenen Jahre wie die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen, die es in einigen Bundesländern gibt, werden wieder gekippt. In Baden-Württemberg und Bayern werden gegen den erbitterten Widerstand von Datenschutzbeauftragten und Bürger*innenrechtsorganisationen Polizeigesetze verabschiedet, die bewusst den äußersten Rand des verfassungsrechtlich Erlaubten ausloten.
Die bürgerlichen Parteien betreiben unbeirrt den weiteren Ausbau der Geheimdienste, insbesondere des so genannten „Verfassungsschutzes“. Dieser ist maßgeblich für die Ausbreitung und Förderung extrem rechter politischer Strukturen in Deutschland verantwortlich und nachweislich tief verstrickt in die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU). Ungeachtet dessen wird der Etat dieses Inlandsgeheimdienstes zur Jagd auf Linke kontinuierlich erhöht, und seine Befugnisse werden erweitert.

Die Massenmedien haben beim Aufpäppeln der AfD eine ganz besondere Rolle gespielt. Im Kampf um die Quote darf heute kaum noch ein Talkshow-Sofa ohne ein AfD-Mitglied auskommen, das markige Sprüche klopft und für rassistische Tabubrüche zuständig ist. Die etablierten Parteien setzen sich höflich daneben und bringen „Argumente“ vor, als gäbe es mit der AfD irgendetwas zu diskutieren. Während linke Demonstrationen oder Kampagnen nur dann Thema in den Medien sind, wenn Schaufensterscheiben klirren (dann lässt sich so schön über „gewaltbereite Extremisten“ klagen), darf sich jede rechte Provokation eines breiten Medienechos sicher sein. Das Vokabular der Rechten ist in der Öffentlichkeit schon fast zur Normalität geworden. Fast immer ist die Rede von „den Flüchtlingen“ und „uns“, als ob es nicht einfach unsere Kolleg*innen und Nachbar*innen wären, die aus einer anderen Gegend kommen. Gang und gäbe ist dagegen die Rede von „unserer Wirtschaft“, obgleich „uns“ kein noch so kleiner Anteil der Produktionsmittel oder der Gewinne gehört.

Der Zusammenhang zwischen Umverteilung nach oben, Plünderung der Sozialsysteme, Ausbau des Polizeistaates und der Befeuerung rassistischer Bewegungen ist nicht ausschließlich ein deutsches Phänomen. Vor allem an den Rändern der EU (etwa in Ungarn, in Polen oder der Türkei) etablieren sich mit deutscher Förderung nationalistische, völkische, autoritäre und diktatorische Regierungen, die von der parlamentarischen Demokratie kaum mehr übriglassen als eine formale Hülle. Entgegen aller Beteuerungen steht die deutsche Regierung mit diesen Regimes in offener Komplizenschaft. Die Türkei beispielsweise wird als NATO-Partnerin nicht nur mit Militär, Geld und Waffen unterstützt. Auch in Deutschland betätigen sich Geheimdienste, Polizei und Gerichte als verlängerter Arm Erdoğans bei der Jagd auf kurdische und türkische Exillinke. Die jüngsten Fahnen- und Bilderverbote in der BRD, die es zulassen, alle zu kriminalisieren, die Erdoğans völkerrechtswidrigen Krieg in Kurdistan und Syrien kritisieren, sind nur das offensichtlichste Beispiel.

„Hinter dem Faschismus steht das Kapital“ – diese seit den 1930er Jahren verbreitete Parole ist oft kritisiert worden, weil sie in dieser verkürzten Form den Eindruck erwecke, faschistische Bewegungen seien von Konzernchefs gelenkte Marionetten. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Aber auch wenn Parolen naturgemäß immer plakativ sind: Tatsache ist, dass der Kapitalismus Faschismus und Krieg „in sich trägt wie die Wolke den Regen“ (Jean Jaures). Das mag den einzelnen Akteur*innen faschistischer Bewegungen selbst nicht unbedingt bewusst sein. Viele AfD-Anhänger*innen beispielsweise fühlen sich schlicht von den rassistischen Hassparolen der Partei angesprochen, ohne überhaupt zu registrieren, dass das wirtschaftliche „Programm“ der nationalistischen Oberschichtspartei AfD nichts weiter vorsieht als Sozialabbau und die weitere Förderung von Konzerngewinnen. Wenn es ihnen doch bewusst ist, erhoffen sie sich meist, dass für sie als Bluthunde des Kapitals bei der Hetzjagd auf „die da unten“ schon ein Fleischfetzen abfallen wird.

Was also bleibt für uns als radikale Linke zu tun? Zunächst einmal: Das Bewusstsein dafür wach zu halten, dass Kapitalismus kein Naturgesetz ist. Er ist von Menschen gemacht, es sind einige wenige Menschen, die von ihm profitieren, und er ist auch durch Menschen wieder abschaffbar.

Ein erster notwendiger Schritt ist, die Dinge wieder beim Namen zu nennen: Die AfD und ähnliche rechte Bewegungen sind kein „rechtspopulistisches“ Phänomen (das klingt so, als ginge es ihnen nur um ein paar Stammtischsprüche). Es handelt sich schlicht um Faschismus, und wir sollten ihn als politische Bewegung ernst nehmen. Das bedeutet gerade nicht, Rechte als Diskussionspartner*innen auf Augenhöhe zu betrachten, wie es die Parteien im Kampf um ein paar Prozentpunkte immer wieder tun. Durch eine solche Aufwertung wird die Ausbreitung rechter Ideologie massiv befördert. Die Freiheit und Gleichheit aller Menschen ist für uns kein Diskussionsgegenstand, sondern die Voraussetzung jeder Diskussion. Welche*r diese Voraussetzung leugnet, hat mit unserem erbitterten Widerstand zu rechnen. Es gibt kein Recht auf faschistische Propaganda.

An uns ist es, zu zeigen, dass Widerstand möglich ist und erfolgreich sein kann – sei es im Streik, bei der Erkämpfung von Freiräumen, auf der Straße, im Stadtteil, in der Ausbildung, an der Uni oder am Arbeitsplatz. Jeder erfolgreiche soziale Kampf ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen rechte Ideologie und Propaganda.

Unser Kampf gilt weiterhin dem Faschismus in allen seinen Ausprägungen. Aktuell gilt er der AfD und ihren Steigbügelhaltern in Wirtschaft und Politik. Dabei können und wollen wir uns nicht auf den Staat und seine Organe verlassen.

Antifaschismus ist und bleibt Handarbeit.

Deshalb kommen wir am 30.04.2018 zum 21. Mal zusammen, um das Antifaschistische Straßenfest zu feiern. Beginn ist wie immer um 18 Uhr auf dem Uniplatz Heidelberg

Antifaschistische Initiative Heidelberg / Interventionistische Linke im April 2018

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