Unter der Headline „1500 Stiche pro Minute“ hat die „Schwetzinger Zeitung“ (SZ), Ableger des reaktionären „Mannheimer Morgen“, in ihrer Ausgabe vom 21. August 2014 dem Nazi-Tätowierer Marco Berlinghof eine halbe Seite redaktionelle Werbung eingeräumt. Im Regionalteil widmet „Redaktionsmitglied“ Ralf Strauch dem „sympathischen Mann“ und seinem Tattoo-Studio „Pik-Ass“ in Ketsch seine volle Aufmerksamkeit. Bei genauerer Betrachtung des „sympatischen Manns“ versinkt jedoch jegliche Sympathie in brauner Soße.
„Wir fertigen nur individuelle Tattoos“, erklärt Berlinghof der SZ. Wie solche individuellen Tattoos bei „Pik-Ass“ aussehen können, ist in den Sozialen Netzwerken im Internet deutlich zu sehen: Wehrmachtssoldaten reihen sich ein in Tattoos von „heroischen“ Wikingern, der Leitspruch zur SS-Verherrlichung „Ruhm und Ehre“ findet sich neben Reichskriegsflaggen und dreigliedrigen Hakenkreuzen (Triskele) auf Körpern verewigt. Daneben finden sich zahlreiche weitere Darstellungen von Runen und anderen Symbolen mit germanisch-heidnischem Bezug. Als ein Beispiel sei hier nur der „Thorshammer“ genannt.
Verwurzelt in der rechten Szene
Marco Berlinghof ist ein Nazi-Skinhead wie er im Buche steht. Fest verwurzelt in der regionalen rechten Szene, macht der Faschist kein Geheimnis aus seiner Gesinnung. Berlinghof trägt gerne Klamotten der rechten Szene-Marke „Thor Steinar“ – zum Beispiel mit Motiven mit eindeutigem Bezug zur Wehrmacht.
Unter der Kleidung wird es noch deutlicher: Auf der Brust trägt der Nazi in Runen geschrieben das Wort „Herrenrasse“ als Tätowierung. Daneben findet sich das SS-Symbol der „Schwarzen Sonne“ und ein „eisernes Kreuz. Auf den Armen trägt Marco Berlinghof Soldaten, Panzer und Flugzeuge der faschistischen Wehrmacht. Der Bauch wird „verziert“ von einer Stielhandgranate, wie sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite zum Einsatz kam. Abgerundet wird das „Gesamtkunstwerk vom Spruch „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ (aus der isländischen „Edda“, altgermanische Götter- und Heldenlieder). Heroisierung der verbrecherischen Wehrmacht, Glorifizierung des NS-Terrors und heidnisch-germanophile Runenmystik, die im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Haut“ gehen.
Eingebunden in die regionalen Nazi-Strukturen
Kontakte unterhält der Tätowierer zu zahlreichen ProtagonistInnen der regionalen rechten Szene. So zählt er unter anderem die NPD-Funktionäre Christian Hehl und Silvio Waldheim (beide Mannheim) zu seinem Bekanntenkreis. Mitglieder und Supporter der rassistischen „Hammerskins“ gehören ebenso zu seinen „Freunden“ wie langjährige AktivistInnen der militanten Nazi-Szene.
Auch auf der Straße ist Berlinghof ein „gestandener Kamerad“. Er beteiligte sich in der Vergangeheit immer wieder an regionalen und überregionalen Demonstrationen der rechten Szene.
Am 1. Mai 2011 marschierte er beispielsweise in Heilbronn zusammen mit anderen Nazis aus der Rhein-Neckar-Region bei der Demonstration zum „Nationalen Tag der Arbeit“ mit. Bilder dieses Aufmarschs zeigen Berlinghof neben dem verurteilten Rechtsterroristen Martin Wiese (München) und dem ehemaligen FAP-Mitglied Sascha Trautenberger – man trug dort sogar Einheitskluft.
Im Jahr 2012 beteiligte sich der Tätowierer ebenfalls am Nazi-Aufmarsch zum 1. Mai, dieses Mal in Speyer. Er lief dort in einem Block mit Anhängern der „Ludwigshafener Nazis und Rassisten“ (LuNaRa) und des „Aktionsbüros -Rhein-Neckar.
Bei anderen Gelegenheiten ist der Faschist mit seiner Tattoo-Crew in Sachen Eigenwerbung unterwegs. So war er im Team auf dem diesjährigen Mittelalterfest in Angelbachtal-Eichtersheim unterwegs – alle im „Pik-Ass“-Shirt. Mühe seine Wehrmacht-Tattoos auf dem Arm zu verbergen, machte sich der Nazi dort nicht.
Noch im Jahr 2011 versuchte sich der Nazis mit einer eigenen Agentur für Werbe- und Medientechnik in Plankstadt. Offenbar fruchtete der Plan nicht, sich als seriöser Medienmensch zu verkaufen. Berlinghof kam bei einem Mannheimer Tattoo-Studio unter und stach bereits dort Tätowierungen mit eindeutigem rechten Bezug. Im Frühjahr 2013 eröffnete Marco Berlinghof dann in der Schwetzinger Straße 73 in Ketsch seinen Laden „Pik-Ass Tattoo“. Mittlerweile hat das Studio an fünf Tagen in der Woche geöffnet.
Medien hofieren den „erfolgreichen“ Nazi-Tätowierer
Der Artikel in der SZ indes ist leider kein Einzelfall. Bereits am 6. März 2012 widmete die Ludwigshafener „Rheinpfalz“ dem Nazi eine halbe Seite in ihrem Teil „Mannheim und Region“. Damals war der umtriebige Tätowierer noch für das Studio in Mannheim tätig gewesen und schaffte es mit dem Weltrekord im Dauertätowieren in die Medien. Das regionale „Rhein-Neckar-Fernsehen“ (RNF) drehte sogar einen Beitrag über Berlinghof, der am 12. März 2012 ausgestrahlt wurde. In beiden Medienberichten war wie erwartet nichts zur braunen Gesinnung des Hauptprotagonisten zu finden. Scheinbar waren die zuständigen JournalistInnen bei der vorangehenden Recherche nicht sorgfältig genug. Auffällig waren bereits zu dieser Zeit die veröffentlichten Fotos der von Berlinghof gestochenen Tattoos mit eindeutig rechter Ausprägung (s.o.).
Eine genaue Studie des Portfolios des Tätowierers, der „in jeder Arbeit ein kleines Kunstwerk“ sieht, hätte einen aufmerksamen Jounalisten doch zumindest nachdenklich stimmen können. Gute Recherche sieht jedenfalls anders aus, Herr Strauch.
Nach den kürzlichen rassistischen Ausfällen von Seiten des stellvertretenden Lokalchefs des „Mannheimer Morgen“, für die es sogar eine „Missbilligung“ des Deutschen Presserates gab, und der Äußerung von „Verständnis“ gegenüber der NPD durch den Lokalchef des Blattes, wundert diese erneute unreflektierte und eingefärbte Berichterstattung nicht.