Free Hanna! Erstes deutsches Urteil im Budapest-Komplex

Am 26.09.2025 wurde unsere Genossin Hanna in München zu 5 Jahren Haft verurteilt. Es ist das erste Urteil in Deutschland im Budapest-Komplex. Neun weitere Antifaschist*innen sitzen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Tag der Ehre“ 2023 in Deutschland im Knast. Der „Tag der Ehre“ ist ein jährliches geschichtsrevisionistisches Nazi-Großevent, an dem Nazis aus ganz Europa einem Ausbruchversuch der Waffen-SS, der Wehrmacht und ihren ungarischen Kollaborateur*innen huldigen. Toleriert vom ungarischen Staat marschieren rund um diesen Tag jedes Jahr Nazis offen mit sämtlichen NS-Symbolen durch Budapest. Mutige Antifaschist*innen versuchen dies trotz der massiven Machtasymmetrie – die gesamte europäische militante Nazi-Szene und der ungarische Staat gegen sie vereint – zu verhindern.

2023 gab es am Rande dieses Geschehens handfeste Auseinandersetzungen, aus denen ein paar Nazis nicht unbeschadet herausgegangen sind. In den Verfahren gegen die Antifaschist*innen wird dies auf der einen Seite entpolitisiert, indem behauptet wird, Hanna und die anderen beschuldigten Aktivist*innen hätten harmlose Tourist*innen angegriffen. Auf der anderen Seite wird ihnen vorgeworfen, sie hätten dies organisiert in einer „linksextremistischen“ kriminellen Vereinigung getan. Diese angebliche kriminelle Vereinigung ist hochgradig konstruiert. So sind die Verbindungen der Antifaschist*innen aus ganz Deutschland, unter anderem aus Nürnberg und Leipzig, zweifelhaft und es wurden sogar Genoss*innen verfolgt, die nachweislich zur Tatzeit nicht einmal in Ungarn waren. Die Konstruktion einer kriminellen Vereinigung ist in politischen Prozessen gängige Praxis, um Antifaschist*innen einzuknasten, bei denen die Last einer konkreten Tat nicht für das von Seiten des Staates gewünschte Ergebnis ausreicht. Die Absurdität dieser Konstruktionen zeigt sich darin, dass Hanna zu Beginn ihres Prozesses wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verfolgt wurde, die Behörden sich aber noch nicht entschieden hatten, ob Hanna Mitglied des „Budapest-Komplexes“ oder der „Antifa Ost“ gewesen sein soll. Auch im jetzigen Urteil wollte sich das Oberlandesgericht nicht festlegen, ob es sich um eine Vereinigung im Inland oder Ausland gehandelt habe.

Hanna wurde nun verurteilt wegen schwerer Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – wobei letztere nur wenige Tage gedauert habe. Die Bundesanwaltschaft hielt jedoch bis zum Schluss am absurden Vorwurf des versuchten Mordes fest und hatte mit dieser Begründung eine Haftstrafe von neun Jahren gefordert. Dabei hatte eine Richterin bereits am vierten Prozesstag vor einem halben Jahr angemerkt: Die Videos zeigen, dass das Opfer des angeblichen Mordanschlags direkt danach aufstand, seine Sachen einsammelte und zur nächsten Ecke lief. Dies ließ, so die Richterin, die Mordthese sehr abwegig erscheinen.

Der Versuch, es so darzustellen, als hätte Hanna harmlose Tourist*innen angegriffen, soll das Strafmaß erhöhen, uns spalten und die Bevölkerung dazu bringen, sich zu entsolidarisieren. Dass die Nebenklage von Nicole Schneiders, einer der prominentesten Nazi-Anwält*innen und NSU-Täteranwältin, vertreten wird, ist nur eines von unzähligen Anzeichen, dass es hier nicht um Angriffe auf unbescholtene Tourist*innen geht.

Hanna wurde von Anfang an vorverurteilt. So wurde vor ihrer Ankunft im Knast in München Stimmung gegen sie gemacht, indem Bullen und Wärter*innen rumerzählten, es käme so jemand wie „die nächste Beate Zschäpe“. Der Prozess wurde in der JVA Stadelheim im Hochsicherheitsgerichtssaal geführt, der extra für Terrorprozesse, anlässlich des NSU-Prozesses, gebaut wurde. Diese stigmatisierenden “Sicherheitsmaßnahmen” sind grotesk, denn schließlich kämpfen wir Antifaschist*innen doch gegen genau diesen rechten Terror. Nun saß dort eine von uns auf der Anklagebank, während der NSU-Klüngel Hand in Hand mit der Bundesanwaltschaft auf Seiten der Anklage stand. Der Riesenprozess war geprägt von weiteren Schikanen: So musste Hanna die Nacht vor dem ersten Prozesstag im stillgelegten Krankentrakt des angrenzenden Männerknastes bei bitterer Kälte ohne Heizung verbringen. Und die solidarischen Beobachter*innen und Bekannten, die Hanna Kraft geben, durften trotz Anwesenheit und ausreichendem Platz, mal wieder, nicht alle in den Gerichtssaal.

Die Bundesanwaltschaft gab in ihrem Schlussplädoyer zu, dass auf den Videos, die das zentrale Beweismittel waren, die verfolgten Antifas nicht „auf allen Videos gut zu erkennen“ sind. Als weitere Indizien wurde wieder einmal Alltagshandlungen und Alltagsgegenständen eine kriminelle Energie angedichtet: Die Antifas haben auf einem Video bar bezahlt. Das sei „besonders klandestin“. So fußt das Urteil ausschließlich auf Indizien, die zum Teil sehr schwach sind. Die Autonome Antifa München schreibt: ”Nun ist das Signal klar: Lediglich wenige Indizien reichen aus, um antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren und Menschen auf Jahre der Freiheit zu berauben.”

Zweifelhafte Gerichtsverfahren gegen Linke sind nichts Neues. Dennoch hat der deutsche Staat mit der aktuellen Anzahl an gefangenen Antifas einen neuen Tiefpunkt gesetzt. Getroffen hat es dieses Mal Hanna, doch gemeint sind wir alle! Mit dem Urteil gegen Hanna wurde generell auch konsequenter Antifaschismus verurteilt! Doch während die Staaten – der ungarische wie auch der deutsche – Nazis gewähren lassen, stellen wir und unsere Genoss*innen uns dem entgegen. Der „Tag der Ehre“ wie auch der Rechtsruck in Deutschland zeigen: Antifa bleibt notwendig! Unsere Bewegung kriegen sie nicht klein! Der Richter merkte bei der Urteilsverkündung an, dass er noch nie an einem Verfahren beteiligt war, in dem ein*e Beschuldigte*r so viele Briefe bekommen und Solidarität erfahren hat wie Hanna. Wir halten zusammen und blicken nach vorn: Bis Hanna endlich wieder bei uns ist und bis alle Faschos zurück in ihren Löchern sind. Solidarische Grüße nach München und Nürnberg! Glück und Kraft in Untergrund und Haft!

Demnächst starten die Budapest-Prozesse gegen 13 weitere Antifas in Düsseldorf und Dresden und im Oktober wird in Ungarn ein Urteil in Majas Prozess erwartet. 

Free Hanna! 

Free Maja! 

Free Clara! 

Free Luca! 

Free Moritz! 

Free Nele! 

Free Paula! 

Free Emmi! 

Free Paul!

Free Tobi! 

Free Johann! 

Free Nanuk!

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