Redebeitrag der AIHD/iL am 8. März 2022

Die lautstarke und kämpferische Demo am Frauen*kampftag am 8. März 2022 zog von der Auftaktkundgebung auf dem Uniplatz durch die Hauptstraße und mit einem Zwischenstopp am Bismarckplatz zur Neckarwiese. Dort fand die Abschlusskundgebung statt, bei der unter anderem der Redebeitrag der AIHD/iL zu hören war, den wir hier nochmals dokumentieren.

Liebe Genoss*innen, liebe Mitstreiter*innen,

wenn wir am heutigen 8. März gegen die patriarchalen Zumutungen, gegen den sexistischen Alltag, gegen Frauen*feindlichkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen, gegen geschlechtsspezifische kapitalistische Ausbeutung und gegen Gewalt gegen Frauen* auf die Straße gehen, dann stellen wir uns damit in eine über hundertjährige Tradition:

Schon 1910 hatte die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz auf Initiative der sozialistischen Feministin Clara Zetkin die Einführung eines jährlichen Internationalen Frauentags beschlossen. In den folgenden Jahren wurde der Internationale Frauentag an wechselnden Terminen begangen.
Erst im Juni 1921 legte die Zweite Internationale Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau als dauerhaftes Datum den 8. März ab 1922 fest. Damit bezogen sie sich auf die revolutionären Massenproteste der Petrograderinnen 1917: Am 8. März 1917 streikten in Petrograd die Bewohnerinnen der armen Stadtviertel auf der Wyborger Seite. Arbeiterinnen, die Ehefrauen von Soldaten und erstmals auch Bäuerinnen gingen gemeinsam auf die Straße und lösten so die Februarrevolution aus.
Andere Erzählungen verweisen zudem auf den Streik der Textilarbeiterinnen 1857 in New York.
Seit genau hundert Jahren – seit 1922 – gehen also Frauen* weltweit am 8. März auf die Straße, um ihre Rechte einzufordern und gegen patriarchale Ausbeutung zu protestieren. Damit führen wir noch sehr viel ältere Kampftraditionen fort, mit denen sich Frauen* in allen Jahrhunderten organisiert und kollektiv gegen Entrechtung zur Wehr setzten.

Die Themen, die bei diesen Aktionen im Mittelpunkt standen, sind unglaublich vielfältig:
Als Beispiele der vergangenen Jahrhunderte seien hier die Frauen der Französischen Revolution erwähnt, die nach ihrer zentralen Mitwirkung an den Kämpfen gleiche Rechte einforderten,
die Aktivistinnen der Pariser Kommune, die eigene Organisationsformen entwickelten,
die Suffragettenbewegung in Großbritannien und den USA, die das Wahlrecht für Frauen erkämpfte,
die zahllosen Streiks von Arbeiterinnen, die ein Ende der Hungerlöhne für Frauen verlangten,
die antimilitaristischen Hungerproteste von Frauen in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs, die mit dazu beitrugen, den Krieg zu beenden,
die Feministinnen* in den Räterepubliken 1918/1919, die Rechte und bessere Löhne für Frauen* einforderten,
und nicht zuletzt die Kampagnen und Massenproteste gegen den § 218, der Frauen* das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verweigert und Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert.

Manche der Themen, die bei diesen Protesten und stets auch am 8. März auf die Straße getragen wurden, haben sich gewandelt, bei einigen konnten Fortschritte erkämpft werden – beispielsweise beim Frauenwahlrecht und anderen formaljuristischen Gleichstellungen.

Doch bei vielen der Forderungen wurden nur minimale Verbesserungen erreicht:
Der Gender Pay Gap besteht bis heute fort und bedeutet nicht zuletzt, dass Altersarmut weiblich ist;
die Paragrafen 218 und 219 wurden nur leicht abgemildert;
und Gewalt gegen Frauen* – ganz besonders in den zahllosen Kriegen weltweit, aber auch im ganz normalen patriarchalen Alltag – ist erschreckend allgegenwärtig.

Wir wollen uns nicht mehr mit Minimalforderungen innerhalb der bestehenden sexistischen Zumutungen zufriedengeben.
Dazu braucht es Perspektiven, die über den Status quo hinausweisen, die weiterdenken als Frauen*quoten, minimale Lohnerhöhungen und Förderprojekte. Und wir brauchen diese Perspektiven jenseits theoretischer Debatten, jenseits des Hörsaals und auch nicht nur einmal im Jahr am 8. März auf der Straße.
Ob bei der kurdischen Frauen*bewegung oder bei den Zapatistinnen*: Es gibt durchaus feministische Strukturen, die sich schon ganz konkret daran machen, Alternativen aufzubauen. Bei ihnen können wir uns Inspirationen holen, um eine neue Welt zu erkämpfen.

Lasst uns die Verhältnisse umstürzen und den patriarchalen Kapitalismus überwinden.

Für eine Welt ohne geschlechtsspezifische Verfolgung, Unterdrückung und Ausbeutung, für eine Welt jenseits von Kapitalismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Krieg!

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