Weder befreundet noch verbündet

In der letzten Zeit häufen sich – trotz oder gerade wegen unseres beständigen Gegenprotests – Annäherungsversuche von Schwurbler*innen sowie deren Umfeld. Wir wollen daher mal klar stellen:

Warum wir nicht mit „Die Basis“, „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ oder Ulrich Becker arbeiten werden, sondern weiterhin gegen sie:

Durch Kundgebungen und regelmäßige „Spaziergänge“ treten in Heidelberg wieder vermehrt Gruppen von Menschen zusammen auf, die nicht einfach zu definieren sind. Auch wenn es einfacher ist, anderes zu behaupten: Selbstverständlich sind nicht alle Teilnehmer*innen dieser Veranstaltungen überzeugte Rechte oder Nazis. Wir sagen das nicht aus Respekt oder Rücksicht gegenüber irgendwem, sondern aus der Notwendigkeit einer angemessenen politischen Analyse heraus. Das heißt nicht, dass der unsolidarische, menschenverachtende Kern der Bewegung nicht unsere Ablehnung verdient hat. Es muss lediglich klar sein, dass wir unsere Strategien, Parolen und Aktionsformen auf einer anderen Analyse aufbauen müssen.

Nichts davon rüttelt aber an unseren antifaschistischen Grundüberzeugungen. Wer nachhaltig mit Leuten läuft, die vom „Impfholocaust“ schwadronieren, sich für „die neuen Juden“ halten oder einem NPD-Kader zuklatschen, wenn dieser „den Baum der Freiheit mit dem Blut der Patrioten düngen“ will, der stimmt dem zu und unterstützt es. Das ist, ob es die Teilnehmer*innen in ihrem grenzenlosen Verständnis jeder Meinung gegenüber akzeptieren oder nicht, eine klare politische Positionierung.

Nachdem die Mobilisierung der bürgerlichen Gegner*innen der Corona-Maßnahmen im Sommer stark abflaute und seltener wurde, trieben Diskussionen um eine Impfpflicht und erneute Verschärfungen der Maßnahmen wieder mehr Menschen zu Versammlungen. Dabei taten sich die Partei „Die Basis“ und die Gruppe „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ (ab hier OGK) organisatorisch hervor. An größeren Veranstaltungen beteiligen sich auch AfD und andere stadtbekannte Rechte offen, halten sich dort jedoch im Hintergrund. Wir möchten den Blick auf die lokalen Veranstalter*innen werfen und erneut begründen, dass es mit diesen keine Zusammenarbeit geben kann.

Im Gegensatz zu vielen anderen süddeutschen Städten gibt es in Heidelberg keinen aktiven Ableger von „Querdenken“, dafür aber mehrere Akteur*innen, die inhaltlich kaum davon zu unterscheiden sind. Die aktivsten davon sind die Kleinstpartei „Die Basis“, Kreisverband Heidelberg, und die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“. „Die Basis“, die aus der Kleinstpartei „Widerstand 2020“ hervorging, kann als parteipolitische Vertretung der „Querdenken“-Bewegung bezeichnet werden. Immer wieder behaupten „Basis“-Sprecher*innen, mit „Querdenken“ habe die Partei nichts zu tun. Diese Aussage ist faktisch falsch, was auch daran zu sehen ist, wie viele bekannte „Querdenken“-Aktivist*innen Listenplätze bei „Die Basis“ ergattert haben [1]. Ulrich Becker, der 2020 für „Die Basis“ kandidierte, meldete in letzter Zeit einige Veranstaltungen als Privatperson an, tritt aber auch bei solchen von „Die Basis“ in Heidelberg auf. Sein jetziges Verhältnis zur Partei ist uns nicht ganz klar, interessiert uns aber auch nicht. In letzter Zeit bestand sein Aktivismus jedoch vor allem darin, mit seiner aufmerksamkeitssuchenden Neonjacke und seinem Lastenrad nutzlos am Rand von Kundgebungen herumzustehen.

Die seit Sommer 2021 aktive „Offene Gesellschaft Kurpfalz / Antihygienistische Aktion“ wird maßgeblich von Achim Kupferschmitt geprägt und geleitet. Auch Gianna „Gigi“ Fox, die noch vor einigen Monaten als „Grundgesetz Guerilla“ in Rauenberg Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen organisiert hatte, mischt bei der OGK mit. Die Gruppe kämpft gegen einen vermeintlichen „Hygienismus“, das „2G-Apartheidsregime“ und die „Corona-Diktatur“. „Die Basis“ und die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ arbeiten offen zusammen. Sie unterstützen und bewerben gegenseitig ihre Veranstaltungen und tauschen sich organisatorisch aus.

Gleicher Scheiß, anderes Etikett

Auf den von ihnen organisierten Kundgebungen und Demonstrationen war und ist Verharmlosung des Corona-Virus Standard. Ulrich Becker sagte im Mai 2020 auf dem Heidelberger Marktplatz, es sei völlig sinnfrei, sich überhaupt auf das Virus testen zu lassen, denn wenn er krank wäre, würde er das schon merken und einfach zu Hause bleiben. Die Impfungen werden stattdessen dämonisiert und als eigentliche Todesfolge ausgemacht. Ein besonderer Tiefpunkt war eine von Becker organisierte Kundgebung am 9. November 2021: Ausgerechnet am Jahrestag der deutsch-faschistischen Novemberpogrome zitierte eine Rednerin auf einem von „Die Basis“ ausgerichteten Schweigemarsch den Verschwörungstheoretiker und Antisemiten Sucharit Bakhdi [2], der angesichts angeblich zahlreicher Impftoter einen „neuen Holocaust“ feststellt. Quarantäne-Einrichtungen bezeichnete sie als Konzentrationslager. Auf derselben Veranstaltung trug eine Teilnehmerin ein Schild mit der Aufschrift, dass auch Auschwitz mit Ausgrenzung begonnen habe [3]. Eine Antifaschistin machte die Teilnehmer*innen auf die unerträglichen Shoah-Relativierungen und -Trivialisierungen aufmerksam und wurde dafür beleidigt und angeschrien. Eine besonders energische Gegenrede hielt Ralph Bühler, ein bekannter rechter Hetzer aus Nußloch, gegen den derzeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung läuft [4]. Ulrich Becker, der in solchen Situationen diplomatisch aufzutreten versucht, bekräftigte danach, er selbst würde „von 1933 aus vorwärts denken“, denn „es“ sei ja noch nicht vorbei und niemand wüsste, wo „es“ hinführe. Eine weitere Rednerin brachte es danach fertig, Antisemitismus auf den „importierten Islam“ abzuwälzen. Alle diese Aussagen wurden beklatscht.

Anwanzende AfD

An diesen und weiteren Veranstaltungen nahmen mehrfach AfD-Politiker*innen und -Aktivist*innen teil. Diese bereiteten ihre Teilnahmen jeweils medial auf. Sie treffen dort auf Sympathisant*innen und Wähler*innen und müssen keine Ausgrenzung fürchten. Andere bekannte Rechte tummelten sich auch in der Menge, ohne dabei aufzufallen. Wenn Teilnehmende darauf aufmerksam gemacht wurden, dass sie mit „Reichsbürgern“ oder Nazis auf der Straße stehen, reagierten sie mit Unverständnis oder Gleichgültigkeit. Andererseits verstehen sich anscheinend nicht wenige von ihnen tatsächlich als „liberal“, „freiheitlich“, „alternativ“ etc. Nachdem es der AfD im letzten Jahr trotz zahlreicher personeller Überschneidungen und Verbindungen nicht gelang, die Corona-Proteste zu prägen, versucht sie immer wieder, auf kleinerer Ebene an die einzelnen Strömungen anzudocken. In Hinblick auf Veranstaltungen von „Die Basis“ und „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ twitterte AfD-Stadtrat Timethy Bartesch kürzlich: „Es ist höchste Zeit, dabei zu sein“. Der Heidelberger Ableger von „Die Basis“ wiederum teilte auf Twitter vermehrt Statements verschiedener AfD-Accounts, unter anderem vom evangelikalen AfD-Politiker Malte Kaufmann. Die Partei „Die Basis“ hat keinerlei Berührungsängste mit Faschist*innen. Ulrich Becker selber sagte auf einer Podiumsdiskussion auf dem Bismarckplatz (von der er später zu seinem Missfallen „basisdemokratisch“ ausgeschlossen wurde), dass er sich nicht von Nazis distanziere, weil das auch nur Menschen seien: er „grenze“ sich grundsätzlich nicht von Menschen ab …

Die rechte Box aufgedreht

Durch Gruppierungen wie Querdenken etablierte sich im vorletzten Jahr das „offene Mikrofon“, das auch bei „Die Basis“ & Co. seit längerem im Sinne eines vermeintlichen Meinungspluralismus dazugehört. Daran erfreute sich beispielsweise schon der Neonazi Jonathan Stumpf (alias Johannes Scharf), der auf dem Universitätsplatz eine aufhetzende nationalistische Rede hielt, für die er viel Zuspruch erntete. Für welche Meinungen dieses Mikrofon also wirklich offen ist, zeigte sich an den wenigen aufklärerischen Beiträgen, die sich gegen Verschwörungsmythen aussprachen: Den Redner*innen schlug, sobald sie nicht den bekömmlichen Müll predigten, Hass und Aggression entgegen. Nach rechts gibt es dagegen scheinbar keine Toleranzgrenze, wie sich an Redebeiträgen von Neonazis und Antisemit*innen zeigt.

„Ihr seid doch eigentlich gegen Faschismus!!?“

Becker und manche Teilnehmer*innen versuchen immer wieder zu betonen, dass wir ja „im Grunde alle das Gleiche wollen“. Das ist schlichtweg nicht der Fall. Es stellt sich ohnehin die Frage, wen diese noch als politischen Gegner ausmachen, wenn sie doch in Corona-Maßnahmen den Faschismus drohen sehen und gegen diesen mit Faschist*innen und Antifaschist*innen gleichermaßen auf die Straße gehen wollen. Eigentlich wähnen sie scheinbar alle auf ihrer Seite. Wenn dann doch offensichtlich die große Mehrheit keinen Bock auf die Schwurbelei hat, muss diese ja „fehlgeleitet“ oder „fremdgesteuert“ sein. Wer dann wiederum dahinter stehen soll, wollen wir nicht mutmaßen.

Ihre Vermutung, wir wären mit ihnen auf einer Seite, zeugt indes nur von völliger politischer Unkenntnis. Unsere politischen Standpunkte sind weit entfernt von dem willkürlichen und in sich widersprüchlichen Potpourri an Verschwörungen, Menschenfeindlichkeit und Naivität, das auf ihren Veranstaltungen zelebriert wird.

Im Gegensatz zu den meisten von ihnen sind wir nicht staatskritisch, um uns beim Essen mit Bekannten oder beim Elternabend in der Schule an unseren tollen radikalen Sprüchen laben zu können. Wir sind staatskritisch, weil der bürgerliche Staat keinen anderen Zweck hat, als die Herrschaft des Kapitals zu sichern und diese Herrschaft Unterdrückung, Elend und Zerstörung des Planeten bedeutet. In Zeiten einer Pandemie bedeutet diese Herrschaftssicherung jedoch eine Erhaltung eines Mindestmaßes an Infrastruktur, die mit einem Gesundheitsschutz der Gesamtbevölkerung verbunden ist. Natürlich sind die Maßnahmen aus dem genannten Grund – auf die Lohnarbeit bezogen – völlig unzureichend, und stattdessen wird versucht, dies über Eingriffe in die „Freizeit“ auszugleichen. Aber wenn wir trotzdem die Notwendigkeit von Maßnahmen sehen, dann ist es nicht unsere Staatskritik, die verwässert wird, sondern unser Humanismus, der bestehen bleibt. Andernfalls müssten wir auch sozialdemokratische Dinge wie die gesetzliche Krankenversicherung oder Arbeitszeitbegrenzung bekämpfen, anstatt sie zu verteidigen.
Bei den Schwurblern ist das genaue Gegenteil der Fall. Mit der Begründung, sich gegen staatliche Unterdrückung zur Wehr setzen zu wollen, sollen Menschen Krankheit und Tod schutzlos ausgeliefert werden. Das ist Staatskritik zugunsten von Menschenfeindlichkeit.

Bezeichnend ist auch, was die eine zentrale Forderung ist, unter der sich alle sammeln können: Sofortige Zurücknahme aller Corona-Maßnahmen. Die dringlichste und einheitlichste Forderung ist also die des Wiedereinsetzens des Status quo ante, also der Rechtslage von Februar 2020. Als ob nicht genau das Davor das eigentliche Problem des Jetzt sei! Die pandemische Krise ist doch letztlich nur ein Brennglas, das sämtliche Missstände, die davor bestanden haben, massiv verschärft. Wir haben uns schon Jahre vor Corona aktiv in die Proteste gegen die Missstände im Gesundheitswesen eingebracht, gegen Polizeigesetze, Überwachungsgesellschaft und soziale Ungleichheit gekämpft und und und, während die versammelte Schwurbelei sich noch bestenfalls damit beschäftigt hat, ob nun Dinkel oder Quinoa das bessere Superfood sei. Wir wollen nicht zurück zum Davor. Natürlich müssen alle getroffenen Einschränkungen von Versammlungen und privaten Aktivitäten unverzüglich beendet werden, aber eben erst, sobald es die pandemische Lage zulässt. Wer denkt, dass damit das eigentliche Problem beendet sei, mit dem*der haben wir politisch nichts gemein. Wir stehen für einen solidarischen Ausgang aus der Krise.

Und hier zeigt sich ein weiteres Kernproblem der genannten Proteste von „Die Basis“, „Querdenken“ & Co. Im bürgerlichen Nest ging es dem absoluten Großteil von ihnen gut. Das Elend der Welt war sicherlich bekannt, und bestimmt wurde hier und da mal gespendet, vielleicht auch fair eingekauft und mit Sicherheit das Leid der Welt moniert … Erst kam das Fressen und dann die Moral. Die Corona-Pandemie hat dann jedoch unvermittelt eine Situation erfordert, dass zugunsten vulnerabler Gruppen Einschränkungen bei denjenigen getroffen wurden, die von der Krankheit direkt vielleicht gar nicht sonderlich bedroht waren. Und die indirekte Bedrohung ist scheinbar für bestimmte Hirne zu abstrakt. Erst als die eigenen Privilegien bedroht wurden, schien das Unrecht der Welt plötzlich apokalyptische Züge anzunehmen. Das, wofür sie einstehen, ist also nichts anderes als ein egoistischer Erhalt ihrer Privilegien. Ein Erhalt ihrer Herrschaftsposition im globalen und nationalen Machtgefüge. Wenn wir auf die Straße gehen gegen Unrecht und Unterdrückung, ist dies solidarisch, verbunden mit einem Gedanken von Kollektivität – und progressiv. Die Schwurbelproteste hingegen sind egoistisch und reaktionär.

Es ist eigentlich jedes Wort zu viel, wenn darauf hingewiesen werden muss, dass der Faschismus mit antisemitischen und anderen Verschwörungserzählungen nicht bekämpft, sondern nur unterstützt wird. Dass diejenigen, die mit Vereinigungen wie der AfD, den Identitären, NPD oder „Der Dritte Weg“ auf die Straße gehen, den Faschismus nicht bekämpfen, sondern unterstützen.
Wenn auf Versammlungen und Schwurbel-Veranstaltungen Parallelen gezogen werden zu den frühen Jahren des deutschen Faschismus (zur Erinnerung: 1933 wurden bewaffnet Gewerkschafts- und Parteihäuser gestürmt und deren Mitglieder gefoltert, ermordet oder in „wilde KZs“ gesteckt) oder sogar zur industriellen Massenvernichtung von Jüd*innen, dann spucken nicht nur diejenigen, die es aussprechen, sondern auch alle anderen, die dem zustimmen oder es mittragen, den Opfern des deutschen Faschismus nochmals ins Gesicht. Das ist für uns kein Anlass für eine Diskussion, sondern bestenfalls wiederum eine Zielscheibe für unsere Spucke.


Zitate Becker & Co., nachzuhören in der Telegramgruppe von dieBasis Heidelberg:

„Wir, das Volk, dürfen uns nie wieder von einem Angst-Narrativ durch ein Tor treiben lassen“ Ulrich Becker 09.05.20

„Find‘ ich menschlich schade“ Becker an störende Antifas 06.12.21 hehehe

[1] https://netzpolitik.org/2021/die-basis-eine-schrecklich-nette-partei/

[2] Bhakdi sagte unter anderem auch: „Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und ihr Land gefunden haben, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt“

[3] s. unsere PE vom 10.11.2021

[4] Bühler teilte auf Facebook ein antisemitisches Bild, das Jüdinnen und Juden als Ursprung alles Bösen dämonisiert: https://twitter.com/DasRoteSignal/status/1465943418056716290

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