Rede „Shut down Capitalism – Solidarisch aus der Krise!“ am 11.12.2021

Bei unserer Kundgebung „Shut down Capitalism – Solidarisch aus der Krise!“ am 11. Dezember 2021, zu der über 60 Menschen auf den Heidelberger Marktplatz gekommen waren, beteiligten sich verschiedene Gruppen mit Redebeiträgen: Nach der einleitenden Rede der AIHD/iL sprachen Vertreter*innen von ISO Rhein-Neckar, Care Revolution, Asyl-AK Heidelberg und der SDS-Hochschulgruppe Heidelberg. Im Anschluss an die Kundgebung fuhren viele Teilnehmer*innen weiter nach Ludwigshafen, um gegen die dortigen Corona-Leugner*innen zu protestieren.

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede der AIHD/IL:

Mit Corona leben lernen? Diese Floskel fällt in letzter Zeit wieder häufiger und beschreibt absurderweise, was Pflegekräfte, Geflüchtete, Menschen mit niedrigem Einkommen und aus so genannten vulnerablen Gruppen erleben: die Krise scheint Alltag geworden zu sein. Um dieser Normalisierung entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Missstände, denen wir täglich begegnen, aufzuzeigen und anzuprangern.

Während in Deutschland schon einige Menschen ihre dritte Impfung gegen das Virus erhalten haben, um sich und andere besser schützen zu können, sind viele im globalen Süden überhaupt noch nicht geimpft. Auf dem afrikanischen Kontinent liegt die Impfquote bei 7 %, mit starken regionalen Unterschieden. Diesen Umstand durch allgemeine Impfskepsis erklären zu wollen, geht völlig an der Tatsache vorbei, dass die neokolonialen Strukturen eine gerechte Verteilung des Impfstoffs nicht zulassen. Ebenso wird weiterhin verhindert, dass die Patente zur Herstellung der Impfstoffe freigegeben werden, wodurch Länder Impfstoffe produzieren könnten, ohne teure Lizenzgebühren an die Entwickler*innen zu zahlen. Eigentum und Profite stehen hierbei mal wieder über allen gesellschaftlichen Forderungen.

Das Aufkaufen und Horten von Millionen Impfdosen über dem Bedarf geschieht dagegen im globalen Norden mit einer Selbstverständlichkeit, die durch den im Kapitalismus entwickelten Nationalismus gefestigt ist. Auch in dieser Notlage hat sich wieder gezeigt, dass jedes Land sich selbst das nächste ist und an solidarisches Handeln höchstens dann gedacht wird, wenn mit absoluter Sicherheit die Gefährdung des eigenen Wohlstandes ausgeschlossen ist. Wie tief dieses Denken auch bei den Menschen in der Gesellschaft verankert ist, hat sich zu Beginn der Pandemie in den vollkommen sinnlosen Hamsterkäufen manifestiert. So unsolidarisch das Handeln der Personen gewesen sein mag, die in Massen Klopapier und Nudeln eingekauft haben: Im Grunde vollenden sie eine neoliberale Staatsräson, die seit Jahren gepredigt wird: erst du, dann die anderen.

Währenddessen wird in Deutschland von Politiker*innen weiterhin scheinheilig von Solidarität gesprochen, die wir untereinander zeigen sollten. Dass diese uns durch den im Kapitalismus notwendigen Konkurrenzkampf, der sich, wie gesagt, längst nicht mehr auf den Arbeitsplatz beschränkt, systematisch abtrainiert wird, drückt sich auch darin aus, wie „aufständisch“ sich geweigert wird, Verantwortungsgefühl für Mitmenschen zu zeigen. Unabhängig von der Frage, wie sehr die Impfung schützt, weigern sich Menschen, durch sie das Risiko einer Ansteckung, Übertragung und Verbreitung wenigstens zu verringern. In der medialen Sturmflut aus Fake News, die radikale Impfgegner*innen erzeugen, hört mensch dabei viel zu selten vernünftigere Stimmen, die sagen: „Ja, ich habe Bedenken, was die Impfung angeht, aber ich sehe ein, dass wir für ein Ende der Pandemie unter anderem eine hohe Anzahl geimpfter Menschen brauchen, also werde ich mich trotzdem impfen lassen.“ Bei vielen so genannten Querdenker*innen scheitert das aber bereits daran, dass sie das Virus als generell ungefährlich betrachten oder ganz leugnen.

Letztlich meint unser Verständnis von Solidarität aber nicht dieselbe, die von Politiker*innen beschworen wird. Die Solidarität, die die Herrschenden meinen, soll nur dazu dienen, den Normalzustand, also die kapitalistische Ausbeutung, wiederherzustellen und zu erhalten. Für einige Politiker*innen ist die Krise vor allem eine Gefahr für das heilige Wirtschaftswachstum. In der Europäischen Union sind Begriffe wie Werte, Moral und Solidarität sowieso vollkommen hohl; wofür die Europäische Union in Wirklichkeit steht, zeigt sich fast täglich durch die Toten an den Außengrenzen; sei es das Mittelmeer oder die belarussisch-polnische Grenze.

Die von den Kapitalist*innen erwünschte Spaltung der Arbeiter*innenklasse und das damit einhergehende fehlende Klassenbewusstsein sind der ideale Nährboden für reaktionäre Demagog*innen und Verschwörungsideolog*innen. Der Traum des freien Internets zeigt dabei seine Schattenseite, wenn der massenhaften, rasend schnellen Verbreitung von Falschinformationen mit keiner staatlichen oder zivilen Aufklärungskampagne beizukommen ist. Der Zulauf, den die so genannten Querdenker*innen erfahren, ist in Teilen auch mit dem Fehlen einer eindeutigen linken Gegenposition zu erklären. Die zum Teil unwissenschaftlichen und inkohärenten Maßnahmen der Regierung, wie beispielsweise eine nächtliche Ausgangssperre unter der Woche, wurden zu oft murrend hingenommen, ohne eine solidarische Gegenperspektive zur Beendigung der Pandemie vorzuschlagen. Forderungen von links sind vorhanden, aber noch viel zu leise. Hier und da werden die Stimmen lauter, die Kritik an staatlichen Maßnahmen ohne sozialdarwinistische Menschenverachtung fordern und äußern. Wir brauchen Kritik an autoritären Maßnahmen, die aber den Schutz aller mitdenkt und nicht bloß egozentrisch auf individuelle Freiheitsrechte pocht – und die sich vor allem nicht in einem absurden „Freiheitskampf“ für Impfgegner*innenrechte verliert. Wichtig sind ebenso klare materialistische Analysen, die Verschwörungstheorien eine Absage erteilen und aufzeigen, dass der Kapitalismus überwunden werden muss, um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Die Kritik am Sparkurs im Gesundheitssystem vertreten Linke hierbei schon seit Jahrzehnten, wogegen so genannte Querdenker*innen neuerdings auf diesen Zug aufspringen, um daraufhin gleich nach rechts zu entgleisen.

Für uns ist klar: Neoliberale Krisenlösungen der Regierung verhindern einen menschenwürdigen und solidarischen Umgang mit der Corona-Pandemie und befeuern das Erstarken von rechten Positionen!

Wir brauchen echte Solidarität von unten, die nicht an die Bewahrung und Wiederherstellung des kapitalistischen Normalzustandes gekoppelt ist.

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