Zum NS-verharmlosenden Aufmarsch der Querdenken-„Partei“ dieBasis am 9. November in Heidelberg verfasste die AIHD/iL am 10.11.2021 die folgende Presseerklärung:
NS-Verharmloser*innen der Querdenken-„Partei“ dieBasis ziehen am 9.11.2021 durch Heidelberg
Etwa 80 Personen aus dem Spektrum der Querdenken-„Partei“ dieBasis sind am Abend des 9. Novembers vom Friedrich-Ebert-Platz aus schweigend durch die Heidelberger Hauptstraße gezogen. Die eingesetzten Polizeikräfte vor Ort hatten aber nichts Besseres zu tun, als die am Rande stehende Gruppe von etwa 30 Antifaschist*innen zu schickanieren und sie versammlungsrechtlich zu belehren: Gegenprotest dürfe aus Sicht des Exekutivorgans nur angemeldet und autoritär abgesegnet stattfinden; antifaschistische Durchsagen durch ein Megafon seien somit nicht erlaubt.
Es ist ein absoluter Skandal, dass die Heidelberger Versammlungsbehörde am 9. November, dem Jahrestag der faschistischen Novemberpogrome, einen dezidiert antisemitischen, NS-verharmlosenden „Schweigemarsch“ der Querdenken-Partei dieBasis, die hier einen quirligen Ableger mit einem stabilen Mobilisierungsgrad aufzuweisen hat, zugelassen hat – und dies auch noch unter dem Motto „Nie wieder Ausgrenzung“. Aber genau das war der Fall!
Der „Schweigemarsch“ begann mit einer Auftaktkundgebung auf dem Friedrich-Ebert-Platz; angeleitet und koordiniert vom hiesigen dieBasis-Bundestagsdirektkandidaten Ulrich Becker, der wieder mit seiner Lastenfahrrad-Anlage gekommen war. Etwa 30 Antifaschist*innen postierten sich ihr gegenüber, skandierten Parolen und hielten Redebeiträge über ein kleines Megafon – obwohl der Einsatzleiter der Polizei vorher versucht hatte, genau dies zu verhindern, indem er eine*n Versammlungsleiter*in der Aktion bestimmt haben wollte. Das lehnte die Antifa-Gruppe aber selbstbestimmt ab; neben der Gefahr, von der Polizei dann willkürlich für alles und jede*n verantwortlich gemacht zu werden, kam es auch schon zu oft vor, dass Daten von Anmelder*innen oder Personalienkontrollierten direkt bei Querdenker*innen gelandet sind – vor allem dann, wenn es jenen in den Sinn kam, Einzelne aus den Gegenprotestansammlungen anzuzeigen, z. B. wegen Beleidigung oder wegen Verunglimpfung.
Gegen 18.30 Uhr lief der von dieBasis-Anhänger*innen dominierte Antisemit*innenblock, in dem sich auch ein paar AfDler*innen tummelten, Richtung Hauptstraße, begleitet von antifaschistischen Sprechchören des Gegenprotests. Auf dem Anatomieplatz machten sie einen kurzen Zwischenstopp, so dass die Antifaschist*innen Zeit hatten, sich die Pappschilder der Querdenker*innen genauer anzusehen. Dabei stieß ein Pappschild, das bekannte dieBasis-Mitglieder mitgebracht hatten, besonders ins Auge: Auf ihm war zu lesen, dass Auschwitz auch nicht gleich „mit Vernichtung begonnen“ habe, sondern mit „Ausgrenzung“!
Das stellt eine untolerierbare geschichtsrelativierende Gleichsetzung dar: „Ausgrenzung“, mit der im Deutschen Faschismus alles angefangen und schließlich zum singulären Menschheitsverbrechen geführt habe, ist gleichzusetzen mit dem heutigen Umstand, dass ein Staat wie die BRD Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie ergreift und dabei die dringende Empfehlung (und nicht die Pflicht) abgibt, sich doch bitte impfen zu lassen; das grenze jene aus, die sich nicht impfen lassen wollen. Das ist das „Wehret den Anfängen!“ der Querdenker*innen. Das ist antisemitisch, das ist NS-verharmlosend. Die (vermeintlich sozial und administrativ geächteten) Impfverweiger*innen erklären sich so zu den Jüdinnen und Juden von heute, denen das gleiche Schicksal drohe wie jenen damals zu Hitlers Zeiten. Vorgaben wie 3G-Regel oder Maskenpflicht in Innenräumen, die Coronaleugner*innen „ausgrenzen“, mit dem Auftakt zur Shoah zu vergleichen, könnte problemlos als Volksverhetzung verfolgt werden und wäre Grund genug gewesen, diese Demonstration behördlich zu unterbinden (auch in Absprache mit dem Antisemitismusbeauftragten des Bundeslandes Baden-Württemberg).
Dies ist jedoch bei Weitem nicht das erste (und letzte) Mal, dass Querdenker*innen durch solche unerträglichen Äußerungen auffallen; nicht selten klebten sich beispielsweise einige von ihnen bei Demonstrationen oder Kundgebungen einen sogenannten „Judenstern“ auf die Kleidung, auf dem „Jude“ durch „Ungeimpft“ ersetzt war.
Das ekelerregende Verharmlosen der Shoah durch Parallelisierung der beiden Opfergruppen – hier die jüdische Bevölkerung Europas, die vernichtet wurde, dort die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen – ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wer am 9. November – parallel zum städtischen Gedenken an die Pogromnacht, das ebenfalls um 18 Uhr auf dem Synagogenplatz abgehalten wurde – auf die Straße geht, um „gegen Ausgrenzung“ von Impfverweigerer*innen zu demonstrieren, unterläuft offensiv und in vollem Bewusstsein jeden Versuch, die würdige Erinnerung an eine Zeit wachzuhalten, in der Menschen enteignet, vertrieben, vernichtet wurden, weil sie Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma oder Homosexuelle waren. Es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die den Terror der Nazis erlebt haben oder durch ihn zu Tode kamen.
Das Traurige an diesem Abend ist einmal mehr, dass die Polizeibehörde den „Schweigemarsch“ der Querdenker*innen, der wieder auf dem Friedrich-Ebert-Platz endete, durchgesetzt hat, indem Antifaschist*innen daran gehindert wurden, ihrem Protest gegen diesen offenen Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus mit einem kleinen Megafon Gehör zu verleihen. Wieder einmal haben die Beamt*innen das (falsch ausgelegte) Verwaltungsrecht über die antifaschistische Pflicht gestellt, bei NS-verharmlosenden Aktionen intervenieren zu müssen – und zwar ohne eine*n gegenüber den staatlichen Repressionsorganen kenntlich gemachte*n Versammlungsleiter*in.
Die von den Querdenker*innen großflächig auf dem Friedrich-Ebert-Platz angebrachten Parolen wurden unmittelbar nach Ende ihrer Kundgebung rückstandslos entfernt.
Wir werden eine Wiederholung solch eines antisemitischen, NS-verharmlosenden Umzugs nicht zulassen.
Kampf dem Faschismus – in all seinen Formen!