Weit über 200 Menschen beteiligten sich am 8. Mai 2021 an der Demonstration „Tag der Befreiung: 8. Mai muss Feiertag werden!“, zu der die VVN-BdA Heidelberg mit Unterstützung vieler weiterer Gruppen und Organisationen aufgerufen hatte. Wir als AIHD/iL hielten bei der Abschlusskundgebung den folgenden Redebeitrag:
Liebe Freund*innnen, liebe Genoss*innen,
mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht jährt sich am 8. Mai 2021 zum 76. Mal der endgültige militärische Sieg über den Nazifaschismus. In den meisten Staaten der Welt ist das seit Jahrzehnten ein Grund zum Feiern. In Frankreich, in den Niederlanden, in Tschechien, in der Slowakei, in Russland und vielen anderen Ländern wird der Sieg über das NS-Terrorregime als gesetzlicher Feiertag begangen.
Nur in der BRD wehren sich Konservative und Rechte beharrlich dagegen, den 8. Mai 1945 als das zu begehen, was er ist: Als Tag, an dem die Zerstörung jeder menschlichen Zivilisation, die diesen Namen verdient, noch einmal abgewendet wurde. Die Niederlage Nazideutschlands sei – so die Verteidiger*innen der deutschen Trauerkultur in grotesker Täter-Opfer-Umkehr – zunächst einmal der Tag der Niederlage ganz Deutschlands – und damit ein „Tag der Trauer“.
Ein Blick auf die Machtstrukturen der Nachkriegs-BRD lässt auch keinen Zweifel daran, warum: Sowohl in Politik als auch in der Wirtschaft waren größtenteils diejenigen, die während des Faschismus schon in hohen Positionen waren, auch nach dem Krieg noch an der Macht. Nach ihrem Tod übernahmen dann ihre ideologischen Nachkommen ihr Werk und versuchten, die Schlächter von damals zu Widerstandskämpfern umzudeuten.
Wenn heute ein Alexander Gauland die Zeit des deutschen Faschismus als „Vogelschiss“ bezeichnet, bedient er sich der selben Methodik wie der grüne Außenminister Joschka Fischer, der den ersten Angriffskrieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg mit den deutschen Verbrechen rechtfertigen wollte. Beide betreiben eine Umdeutung, Relativierung und Verharmlosung des deutschen Faschismus mit dem Zweck, machtpolitische Interessen der BRD durchzusetzen.
Und die machtpolitischen Interessen der BRD sind die machtpolitischen Interessen des deutschen Kapitals. Ein Ziel, das sich der Rechtsnachfolger des deutschen Faschismus mit diesem teilt. Zwar unterscheiden sich die Methoden, sind nicht in Stein gemeißelt. Die Befreiung, die wir am 8. Mai feiern, ist nichts Abgeschlossenes, sondern ein Zustand, den wir immer wieder erkämpfen müssen.
Max Reimann, Vorsitzender der KPD im Parlamentarischen Rat, sagte schon zur damaligen Ablehnung des Grundgesetzentwurfs durch die KPD: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“
Der Tag war nicht weit, und je älter das Grundgesetz wird, desto mehr Prinzipien, die als Lehre aus dem deutschen Faschismus gezogen wurden, werden abgebaut. Sei es die Aufrüstung Deutschlands, sei es das Angriffskriegsverbot, sei es das Asylrecht, sei es das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst oder sei es der Einsatz von Militär im Inland.
In Deutschland ist es kein Geheimnis und keine Verschwörungserzählung mehr, dass erhebliche Teile des Staatsapparates in Polizei und Geheimdiensten, aber auch in der Justiz mit der wachsenden neonazistischen Szene nicht nur sympathisieren, sondern auch kooperieren. Das vom Inlandsgeheimdienst, dem so genannten Verfassungsschutz, geförderte und gedeckte Netzwerk des NSU, die Vertuschung des Mordes an Oury Jalloh und anderer rassistischer Polizeitaten, das aufgeflogene paramilitärische Hannibal-Netzwerk in Eliteeinheiten von Geheimdienst, Polizei und Militär, die bewusste Zurückhaltung des örtlichen Exekutivorgans beim Abblocken des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau, die Vorbereitungen auf den Tag X beim faschistisch unterwanderten, militärisch hochgerüsteten Kommando Spezialkräfte (KSK) im baden-württembergischen Calw, die immer häufiger öffentlich gewordenen neonazistischen Skandale – wir haben uns fast schon daran gewöhnt, dass Nachrichten wie diese regelmäßig über die Bildschirme flimmern. Wir haben uns ebenfalls fast schon daran gewöhnt, dass die Konsequenz fast immer die Forderung nach mehr Staatsmacht, mehr Überwachung, mehr Polizei und mehr deutscher Militärpräsenz nach sich zieht. Es ist in Deutschland entsetzlich normal geworden, nach mehr Benzin zu rufen, wenn es brennt.
Es ist eine Verhöhnung der Opfer der Naziherrschaft, dass der Tag der Befreiung in Deutschland kein Feiertag ist. Die Botschaft, die der deutsche Staat sendet, ist: „Ihr, die ihr an diesem Tag feiern könnt, gehört eigentlich nicht zu Deutschland – das richtige Deutschland hat verloren“. Aus diesem skandalösen Zustand gibt es nur den einzigen Ausweg, den 8. Mai zum Feiertag zu erklären. Aber so wichtig es ist, bleibt es doch ein symbolischer Schritt. Diejenigen, für die der Tag zum Feiertag erklärt werden muss, wissen genau, dass er immer auch ein Kampftag gegen den Faschismus bleiben wird. Heute mehr denn je bedeutet der 8. Mai, den Kampf derer weiterzuführen, die im Kampf gegen den deutschen Faschismus ihr Leben gelassen haben.
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!