Am 28. November 2020 findet ein dezentraler Aktionstag statt mit Kundgebungen und Demos in Solidarität mit den fünf Angeklagten aus dem Rondenbarg-Komplex, die ab 3. Dezember in Hamburg vor Gericht stehen. Auch in Heidelberg organisieren wir eine Solikundgebung, die um 15 Uhr am Marktplatz startet.
Dezentraler Aktionstag gegen Repression am Samstag vor dem Prozessauftakt gegen die G20-Gegner*innen vom Rondenbarg
Im Juli 2017 haben wir uns international und spektrenübergreifend zu Zehntausenden nach Hamburg aufgemacht, um lautstark und entschlossen gegen das Gipfeltreffen der zwanzig wirtschaftlich und politisch mächtigsten Staaten der Welt zu protestieren. Wie bei anderen Zusammenkünften bürgerlicher Regierungen, autoritärer Regime und kriegsführender Militärblöcke haben wir es nicht hingenommen, dass sie ungestört ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen aushandeln können. Wir sind auf die Straße gegangen gegen die kapitalistischen Verhältnisse, die auf Unterdrückung und Ausbeutung beruhen und für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich sind.
Wir sind dem Treffen der G20 entschlossen entgegengetreten. Wir haben uns dabei weder von Verbotszonen noch von massiver Polizeigewalt abschrecken lassen. Wir haben gemeinsam unsere Kämpfe für eine klassenlose, antikapitalistische Gesellschaft ohne Patriarchat, Rassismus, Faschismus und Klimakrise auf die Straße getragen und tun das auch weiterhin.
Wie sich bereits im Vorfeld ankündigte, setzt(e) der Staat wieder einmal auf Repression: Dutzende Hausdurchsuchungen, Entziehung der Akkreditierung von Journalist*innen, Campverbote, Zerschlagung der Welcome-to-Hell-Demo, Verbot von Linksunten Indymedia, sechs Öffentlichkeitsfahndungen mit über 400 Personenbildern, Kriminalisierung von Protesten, die zu etlichen Strafverfahren und Verurteilungen geführt hat…
Nach einer ganzen Reihe von Prozessen hat die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen über 80 Aktivist*innen wegen der Proteste am Rondenbarg Anklage erhoben: Am Morgen des ersten Gipfeltages brachen hunderte Menschen auf, um die Zufahrtswege zum Austragungsort zu blockieren. Im Gewerbegebiet Rondenbarg attackierten Polizeieinheiten ohne Vorwarnung einen Demonstrationszug. Bei diesem Angriff wurden 14 Demonstrierende schwer verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Bei einigen kam es zu bleibenden körperlichen Schäden, deren Behandlung noch andauert. 59 weitere Gipfelgegner*innen wurden festgenommen. Der italienische Aktivist Fabio saß anschließend fast fünf Monate in Untersuchungshaft, bis der Prozess schließlich im Februar 2018 platzte.
Den Angeklagten im Rondenbarg-Verfahren wird gemeinschaftlicher schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamt*innen, Sachbeschädigung und Bildung bewaffneter Gruppen vorgeworfen. Dabei geht es um keine individuellen Handlungen der Aktivist*innen. Gegenstand der Anklageschrift ist die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Handlung. Hierbei wird sich auf einen gemeinsamen Tatplan in Verbindung mit den Blockaden verschiedener „Finger“ am Freitagmorgen berufen. Eine Verurteilung würde einen massiven Angriff auf das Versammlungsrecht bedeuten.
Im Verfahren nach Jugendstrafrecht gegen anfangs 19 Angeklagte hat die Staatsanwaltschaft nun einen Pilotprozess gegen die fünf jüngsten Genoss*innen abgetrennt, um die Verhandlung einfacher durchführen zu können. Aufgrund des geringen Alters der jetzt herausgegriffenen Aktivist*innen, die damals alle unter 18 Jahre waren, will das Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen und so die ihm lästige Öffentlichkeit und solidarische Prozessbeobachter*innen aussperren. Am 3. Dezember 2020 soll der Prozess in Hamburg starten, was bedeutet, dass die fünf Betroffenen über viele Monate hinweg von ihren Wohnorten Stuttgart, Mannheim, Bonn und Halle aus wöchentlich nach Norddeutschland fahren müssen. Das stellt eine extreme Belastung für die Betroffenen und ihr soziales Umfeld dar, und eine Ausbildung oder ein geregeltes Studium sind dadurch über lange Zeit unmöglich. Doch auch wenn wir nicht mit in den Gerichtssaal gehen können, stehen wir solidarisch an der Seite der Angeklagten und stärken ihnen den Rücken: durch Spendensammlungen für Prozess- und Fahrtkosten, um die finanziellen Belastung abzufedern, aber auch durch Öffentlichkeitsarbeit und Soliaktionen wie am 28. November 2020, dem dezentralen Aktionstag am Samstag vor dem Prozessauftakt.
Das Rondenbarg-Verfahren steht dabei keineswegs isoliert, sondern ist Teil einer ganzen Welle von Repressionsmaßnahmen: Unmittelbar vor dem G20-Gipfel wurden Strafgesetze verschärft, wozu unter anderen die Paragraphen 113 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und 114 „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ gehörten. Eineinhalb Jahre später folgte die Forderung eines Verbots der Roten Hilfe. Angriffe auf selbstverwaltete Zentren, die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und die Repression anlässlich des G7 in Biarritz vergangenen Sommer reihen sich hierin ein. Die Gemeinnützigkeit globalisierungskritischer und antifaschistischer Gruppen, wie Attac und der VVN-BdA, wurde aberkannt. Von massiver Repression ist auch die kurdische Bewegung betroffen. Zahlreiche kurdische Genoss*innen werden aufgrund des Paragraphen 129b „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ kriminalisiert und inhaftiert. Auch Verbote von Fahnen und Symbolen, wie der YPG und YPJ, führen bundesweit immer wieder zu Strafverfahren. In den letzten Monaten wurden zudem zahllose Grundrechte unter Verweis auf die Pandemiebekämpfung ausgehebelt, und die Vorstöße werden von reaktionärer Seite begierig aufgegriffen, um über dauerhafte Grundrechtseingriffe zu diskutieren. Gleichzeitig häufen sich die brutalen Polizeiangriffe gegen linke Demonstrationen wie zuletzt am 14. November in Frankfurt, wo brutale Wasserwerfereinsätze sich gegen alle richteten, die sich den rechten Corona-LeugnerInnen entgegenstellten. Zudem schnellen die Verhaftungen von linken Aktivist*innen aus unterschiedlichen Bewegungen in die Höhe – seien es Antifas wie die beiden Genossen aus Stuttgart und Lina aus Leipzig, seien es Klimaaktivist*innen wie die sieben „Danni“-Gefangenen, die seit einer Abseilaktion Ende Oktober in Frankfurt in U-Haft sitzen.
Diese Entwicklungen nehmen wir nicht einfach hin. Wir bleiben gemeinschaftlich widerständig und stellen uns der massiven Repression geschlossen entgegen: solidarisch, lautstark, kämpferisch!
Weitere Infos unter rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de und gemeinschaftlich.noblogs.org