Redebeitrag bei der Kundgebung „Solidarität mit den Geflüchteten!“

Mehr als 250 Menschen sind am 3. März 2020 dem Aufruf der AIHD/IL und der Seebrücke Heidelberg gefolgt und haben auf dem Bismarckplatz in Heidelberg gegen die unmenschliche Flüchtlingspolitik der EU und für offene Grenzen demonstriert. Wir werden nicht schweigen, während Polizei, Frontex und Militär an den Außengrenzen der EU Krieg gegen unbewaffnete Menschen in Not führen. Im Folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg:

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen!

Was wir zur Zeit an den Außengrenzen der EU erleben, ist die entfesselte Barbarei. Die EU führt Krieg gegen unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder. Sie wird dabei unterstützt von teils organisierten, teils spontan zusammengefundenen faschistischen Mobs, die auf Menschenjagd gehen. Wir alle haben die Bilder gesehen von Kindern im Tränengasnebel, von Blendgranaten, von Vätern und Müttern, die versuchen, ihre Babys wiederzubeleben, von blutüberströmten Menschen unter Polizeiknüppeln, von Militärschiffen, die auf Flüchtlingsboote feuern.
Es kann niemand behaupten, er wüsste nicht, was zur Zeit in Griechenland in unserem Namen geschieht.

Wir sollten auch den Anlass der aktuellen Eskalation nicht vergessen: Der geschätzte und geförderte Waffenbruder von NATO und EU, der türkische Machthaber Erdogan fordert noch mehr Unterstützung in seinem blutigen völkerrechtswidrigen Krieg gegen das kurdische basisdemokratische Projekt in Syrien. Gestern konnte man eine sichtlich um Fassung ringende Bundeskanzlerin Merkel in die Fernsehkameras sagen hören, dass sich darüber natürlich reden ließe, er solle nur ja bitte die Grenzen wieder schließen.

Kein Wort des Entsetzens, der Solidarität, gar der Entschuldigung von den VertreterInnen der etablierten Parteien. Was sollten sie auch sagen? Sie haben konsequent auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet. Sie haben den faschistischen Machthaber Erdogan als Bluthund bezahlt, der ihnen die Flüchtenden vom Leib hält. Sie haben die Mauern der Festung Europa immer weiter ausgebaut und befestigt, wohl wissend, dass sie dem Sturm derer nicht standhalten werden, die von Europa in Krieg und Elend gestürzt wurden.

Das einzige, was Europas Regierenden einfällt, um auf die Ereignisse zu reagieren ist die Entsendung von noch mehr Frontex-Truppen zur gewaltsamen Bekämpfung der Flüchtlinge, Drohungen und rassistische Hetze.

Griechenland hat unwidersprochen erklärt, das Asylrecht, ein fundamentales Grund- und Menschenrecht, sei bis auf weiteres „ausgesetzt“. Wir wollen daran erinnern, dass dieses Menschenrecht, das im von Deutschland dominierten Europa ohnehin bis zur Unkenntlichkeit entstellt und ausgehöhlt ist, ein Bestandteil der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Europa verabschiedet sich damit selbst von den Minimalstandards, die sich die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg selbst auferlegt hatten.

Auf Lesbos und an der türkischen Grenze haben Faschistinnen und Faschisten dieses Signal sehr gut verstanden. Sie bewaffnen sich und machen auf eigene Faust Jagd auf Flüchtlinge, Hilfsorganisationen und JournalistInnen und greifen mit brutaler Gewalt Flüchtlingsboote und Auffanglager an. Das Entsetzen darüber seitens der etablierten Parteien ist kaum anders als heuchlerisch zu bezeichnen. Auch hier in Deutschland sind die Rechten hochgepäppelt worden durch Diskurse, die – wie dann immer so schön gesagt wird – „die Sorgen und Nöte der AfD ernstnehmen“ wollten. Durch Diskurse, die mit der alten üblen Mischung aus Fremdenhass und Nationalstolz billige Wahlkampfpunkte sammeln wollten. Wir werden diesen Zusammenhang nicht vergessen. Wer gestern noch die Abschottung der Grenzen gegen Hilfesuchende gefordert und gefördert hat, wird unglaubwürdig, wenn er beim nächsten faschistischen Mord mit Kerzen in der Hand bei Mahnwachen steht.

Wir wollen von dieser Kundgebung ein klares Signal ausgehen lassen: Wir werden nicht bedroht von den flüchtenden Menschen an der Grenze, die wir gerne mit offenen Armen empfangen heißen. Wir werden bedroht von den sogenannten Weltordnungskriegen, die in Wirklichkeit schlichte Verteilungs- und Eroberungskämpfe sind. Wir werden bedroht von Konzernen, die die Lebensbedingungen der Menschen in den ärmeren Ländern so unerträglich machen, dass ihnen keine Wahl bleibt, als zu fliehen. Wir sind bedroht von Kapitalinteressen, die nicht vor der Zerstörung unserer Lebensressourcen zurückschrecken, um ihre kurz- und mittelfristigen Profite zu sichern. Im Kampf gegen diese Bedrohung sind die Flüchtenden unsere Verbündeten, nicht unsere Gegner. Wir haben es satt, uns betrügen zu lassen. Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen im Kampf um ein paar Brosamen vom Herrentisch. Die Schlinge aus Grundrechtsabbau, Waffengewalt und Krieg passt am Ende des Tages auch auf unseren Hals. Beginnen wir endlich, uns gemeinsam zu wehren!

Die Zeit der billigen Mitleidsbekundungen ist vorbei. Die Festung Europa muss und wird fallen und wir freuen uns auf ihren Sturz.

Wir fordern:
Sofortige Öffnung der EU-Außengrenzen!
Schluss mit der Unterstützung des faschistischen Erdogan-Regimes!
Die Verfolgung türkischer und kurdischer Oppositioneller durch die deutschen Behörden muss sofort beendet werden!
Sofortiger Stopp aller deutschen Waffenlieferungen!
Für die uneingeschränkte Wiederherstellung des Asylrechts!

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