[Ketsch] „Schwetzinger Zeitung“ wäscht Nazi die braune Weste weiß

Als Reaktion auf eine Pressemitteilung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD/iL) hat die „Schwetzinger Zeitung“ am 16. Juni 2017 einen Artikel unter der Überschrift „Ketscher streitet Beteiligung an Nazi-Vorfall ab“ veröffentlicht. Mit dem „Ketscher“ ist der Tätowierer und Geschäftsmann Marco Berlinghof gemeint. Schon 2014 und 2015 waren die rechten Aktivitäten und Kontakte des Nazis von der AIHD thematisiert worden. Jetzt war der Tätowierer im Zusammenhang mit Nazi-Auschreitungen am 9. Juni 2017 auf Mallorca aufgefallen, die ein großes Medienecho hervorriefen.

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Dass er am 9. Juni im „Bierkönig“ auf Mallorca anwesend war, kann Marco Berlinghof aus Ketsch nicht leugnen. Es gibt schließlich genügend Fotos und Videos von diesem Abend. Auch sein Tätowierer-Kollege Patrick Dillinger, der ebenfalls im „PikAss Tattoo“ in Ketsch arbeitet, war bei der Aktion in Palma anwesend. Er ist zusammen mit Berlinghof und weiteren Anhängern der rechten Szene, darunter mindestens zwei Mitglieder der rassitsichen „Hammerskins“, auf einem Poserfoto zu erkennen.

Nein, er sei kein Anhänger der „Hammerskins„, beteuert Berlinghof im Artikel der „Schwetzinger Zeitung“ (SZ). Er muss das ja auch dementieren. Ist doch die Skinhead-Bruderschaft eine konspirativ arbeitende Organisation der extremen Rechten, die sehr auf den Schutz ihrer Mitglieder und der gesamten Gruppe bedacht ist. Selbst der „Verfassungsschutz“ nennt in diesem Zusammenhang nie Namen der von ihm beobachteten Gruppierung. Dazu kommt, dass Berlinghof selbstverständlich sein Unternehmen „PikAss Tattoo“ in Ketsch schützen will. Schließlich tätowiert der Geschäftsmann nicht nur Nazis und hat sein Marketing ganz auf Lifestyle und die Eigenmarke „PikAss“ ausgelegt. Und der Laden läuft offensichtlich ganz gut.

Vielleicht hätte SZ-Redakteur Benjamin Jungbluth, der den oberflächlichen Artikel verfasst hat, auch einfach mal bei der AIHD/iL nachfragen sollen. Oder aber, er hätte sich mal die in der Pressemitteilung vom 12. Juni angegebenen Links genauer angeschaut. Oder aber, er hätte ein bisschen in den Sozialen Netzwerken gestöbert. All das sollte eigentlich von einem guten Journalisten zu erwarten sein.
Nichts dergleichen ist passiert.

Statements des Nazis werden nicht hinterfragt
Stattdessen lässt Jungbluth einen Faschisten unkommentiert zu Wort kommen. Berlinghof darf im Artikel seine Dementis loswerden. Er sei zwar in Mallorca gewesen, an dem Vorfall mit der so genannten „Reichskriegsflagge“ im „Bierkönig“ will er jedoch nicht beteiligt gewesen sein. Zudem, so Berlinghof, sei er Teil der (O-Ton „Schwetzinger Zeitung“) „Touristen-Gruppe“ gewesen, er „kenne aber nicht jeden Einzelnen in dieser Gruppe“.
Das klingt nicht gerade plausibel. Zumal sich Berlinghof auf einem Foto zusammen mit seinem Kollegen Patrick Dillinger und den Nazis Wolfgang Benkeßer, Jan Zrzodelny, Jan Ruprecht, Dennis Kiebitz und Alexander Deptolla im „Bierkönig“ hat ablichten lassen. Deptolla, ein Anhänger der Partei „Die Rechte“ aus Dortmund, gehört neben den anderen Genannten auch zu Berlinghofs Facebook-Kontakten.

Auf einem weiteren Gruppenbild ist die gesamte 20-köpfige „Touristen-Gruppe“ am Strand zu sehen. Wieder gut zu erkennen: Marco Berlinghof und Patrick Dillinger. Die beiden stellen wie mehrere der Abgebildeten ihre nackten, tätowierten Oberkörper zur Schau. Dabei ist auch „Hammerskin“-Chef Malte Redeker. Zwei der abgelichteten posieren mit dem Hitlergruß.
Angeblich kennt Berlinghof nicht alle. Später relativiert er im Artikel der „Schwetzinger Zeitung“ seine Aussage mit: „ich habe nicht zu jedem privaten Kontakt“.
Aber mindestens 2014, 2016 und jetzt 2017 war Marco Berlinghof zusammen mit der „Touristen-Gruppe“ auf Mallorca; das belegen Fotos und Posts in Sozialen Netzwerken. Immer mit dabei: Jan Zrzodelny, Malte Redeker und andere Mitglieder der „Hammerskins“ wie beispielsweise Christian Lenz oder Wolfgang Benkeßer. Informationen aus der rechten Szene zufolge, reist die Nazi-Gruppe jedes Jahr zum Ballermann.

Kontakte zu allen Spielarten der extremen Rechten
Zu wem Berlinghof Kontakt unterhält, lässt sich leicht aufzeigen. Zu seinen Bekanntschaften, die sich unter anderem über Soziale Netzwerke verifizieren lassen, gehören beispielhaft folgende Anhänger der rechten Szene:

Jan Zrzodelny
war bei dem Vorfall im „Bierkönig“ auf Mallorca am 9. Juni dabei. Er ist ein langjähriger Aktivist der rechten Szene und Hooligan aus der Vorderpfalz sowie enger „Kamerad“ des „Hammerskin“-Europachefs Malte Redeker. Zrzodelny tummelt sich unter dem Namen „Frank Fuchsberger“ auf Facebook.

Wolfgang Benkeßer
ist Skinhead und seit den 1990er Jahren in der rechten Szene in und um Mannheim aktiv. Der brutale Schläger und ehemalige Hooligan im Umfeld des SV Waldhof Mannheim ist Mitglied der „Hammerskins“ (er trägt das Symbol der „Bruderschaft“ als Tattoo am Nacken). Heute lebt der Nazi in Hamburg. Auch er war am 9. Juni im „Bierkönig“ anwesend und gehörte zur „Touristen-Gruppe“.

Sebastian Kahlmann
ist ebenfalls „Hammerskin“. Er war bereits Ende der 1990er Jahre in der neonazistischen „Kameradschaft Bergstraße“ aktiv.

Marc Müller
aus der Vorderpfalz ist ein weiterer Nazi aus dem engeren Kreis um Malte Redeker. Er gehört wie Jan Zrzodelny zu den selbsternannten „LuNaRa“ („Ludwigshafener Nazis und Rassisten“).

Jan Jaeschke
ist der NPD-Vorsitzende des Kreisverbands Rhein-Neckar. Der Weinheimer ist ein umtriebiger „Parteisoldat“ und führt den Kreisverband seit 2011, dabei unterhält er auch Kontakte zu gewaltbereiten „freien Kameradschaften“.

Christian Hehl
wurde vom Magazin „Der Spiegel“ einmal als „Deutschlands bekanntester Skinhead“ bezeichnet. Der Skinhead, Waldhof-Hooligan und vorbestrafte Schläger hat eine lange Karriere in der rechten Szene hinter sich. Er war unter anderem Mitglied verbotener Organsiationen wie der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) oder der Rechtsrock-Organisation „Blood and Honour“. Heute sitzt Hehl für die NPD im Mannheimer Gemeinderat.

Jörg Weber
ist ein Nazi aus dem Raum Hockenheim. Als langjähriger Aktivist der Rechtsrock-Szene gehört er zum verbotenen „Blood and Honour“-Netzwerk. Er war an der Organisation von Konzerten mit Nazi-Bands beteiligt und bei der „Kameradschaft Hockenheim/Schwetzingen“ sowie im „Aktionsbüro Rhein-Neckar“ aktiv. Mit anderen Skinheads aus der Region um Schwetzingen, Ketsch, Brühl und Hockenheim hob er die „Hate Crew Nordbaden“ aus der Taufe.

Roger Ziebart
ist ein Skinhead und Sammler von Nazi-Devotionalien. Er unterhält zahlreiche Kontakte vor allem im rechten subkulturellen Milieu, aber auch zu AnhängerInnen der Parteien NPD und „Die Rechte“. Auch Ziebart war Mitglied der „Hate Crew Nordbaden„. Zeitweise sprang er bei der Rechtsrock-Band „Breakdown“ (Rheinland-Pfalz) am Bass ein.

Nazi-Posing mit nacktem Oberkörper
Marco Berlinghof trug auf Mallorca wie die andere Beteiligten seine faschistische Gesinnung in Form von Tattoos offen zur Schau – ob er nun eine „Reichskriegsflagge“ geschwenkt hat, oder nicht. Die gesamte Gruppe posierte auf Fotos mit nackten Oberkörpern sowohl im „Bierkönig“ als auch in der Öffentlichkeit am Strand. Es ist davon auszugehen, dass sich die Nazis auch am Hotelpool so präsentierten. Medienberichte aus Mallorca (u.a. „Mallorca Zeitung“) legen das nahe. Hierbei zeigten die Faschisten u.a. Hakenkreuze und andere eindeutige Symbole mit Bezug zum Nationalsozialismus und gröhlten rechtes „Liedgut“. Andere Gäste fühlten sich dadurch bedroht und verließen das Hotel.

Tattoos als Ausdruck der Gesinnung
Marco Berlinghofs Körper kann problemlos als „Anschauungsobjekt“ für alle möglichen Nazi-Tätowierungen herhalten. Das Wort „Herrenrasse“ aus der NS-Ideologie findet sich in Runen als Tätowierung auf Berlinghofs Brust.
Seine rechte Schulter „ziert“ das SS-Symbol der „Schwarzen Sonne“.
Ein „Eisernes Kreuz“ ist auf der linken Schulter zu finden.
Auf dem rechten Arm trägt Marco Berlinghof Soldaten, Panzer und Flugzeuge der faschistischen Wehrmacht. Dazu gesellte sich später noch ein „Eisernes Kreuz II. Klasse“ am schwarz-weiß-roten Band (Unterarm), wie es zwischen 1939 und 1945 von den Nationalsozialisten verliehen wurde.
Der Bauch wird „verziert“ von einer Stielhandgranate, wie sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite zum Einsatz kam. Der Spruch „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“ (aus der isländischen „Edda“ – altgermanische Götter- und Heldenlieder) ist auf dem linken Arm des Skinheads zu finden.
Eine Sammlung an meandernden Hakenkreuzen „ziert“ Berlinghofs Glatze.
Wo er sein „Hammerskin“-Tattoo platziert hat, ist nicht bekannt.

Der Tätowierer ist ein „Bruder“
Berlinghof begann im Sommer 2013 als „Prospect of the Nation“ (also Anwärter) beim „Chapter Westwall“ seine Karriere bei den „Hammerskins“. Zunächst beginnen Interessenten also im Umfeld der Bruderschaft, bis sie sich vom „Hangaround“ zum „Prospect“ und dann zum „Fullmember“ emporgearbeitet haben. Das kann seine Zeit dauern. Nur Vollmitglieder dürfen sich dann „Hammerskin“ nennen, kennen Interna, haben entsprechende Kontakte und dürfen das Tattoo mit den gekreuzten Hämmern tragen. Wie bei klassischen Rockerclubs sammeln sich auch bei den „Hammerskins“ Unterstützer in einer eigenen „Supporter“-Gruppe, der „Crew 38“ (38 = CH = Crossed Hammers).

Als „Prospect“ nahm Marco Berlinghof im September 2013 an einer Reise nach England teil und besuchte zusammen mit anderen „Hammerskins“ auch Stoenhenge. Organisiert hatte die Reise offenbar der Europachef der Bruderschaft Malte Redeker. Zur Reisegruppe gehörten auch die „Brüder“ Robert Kiefer, Roland Sokol und Arnd Rademacher, der in Frankenthal seit Jahren das Tattoo-Studio „Two Hands“ betreibt.

Am „National Officers Meeting“ am 12. Juli 2014 in Berlin war der Tätowierer zusammen mit anderen regionalen Anhängern der „Hammerskins“ ebenfalls anwesend. Hier entstand auch das Foto mit dem „Hammerskin“ und später enttarnten Verfassungsschutz-Spitzel Roland Sokol. Diesem Nazi, der 2015 verstorben war, kondolierte Berlinghof im schwülstigen Nazi-Jargon und bezeichnete diesen als „Bruder“ – so sprechen sich „Hammerskins“, die sich schließlich als Bruderschaft verstehen, untereinander an. Diesen Kondolenz-Post auf Facebook schließt der Tätowierer mit: „Sieg Heil mein Freund & Kamerad Ich werde noch oft an dich denken – Dein Marco“.

Fazit
Alles in allem sind die fadenscheinigen Behauptungen und Distanzierungen Berlinghofs in der SZ nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Der Tätowierer ist fester Teil der rechten Szene: er war bei Nazi-Aufmärschen präsent, kennt langjährige Aktivisten persönlich, pflegt Kontakte zu Kadern extrem rechter Parteien und Gruppierungen, hat eine allzu offensichtliche „Nähe“ zu den „Hammerskins“ und fährt mindestens dreimal mit einer „Touristen-Gruppe“ unter Beteiligung führender „Hammerskins“ nach Mallorca.

Wer, wie die „Schwetzinger Zeitung“, unreflektiert und unrecherchiert Dementis eines solchen Faschisten abdruckt und ihm somit ein Forum bietet, macht sich zum Gehilfen der Verschleierungstaktik und Konspirativität einer rassistsichen Organisation wie den „Hammerskins“.
Hinzu kommt, dass es SZ-Redakteur Benjamin Jungbluth im selben Artikel schafft, AntifaschistInnen, die konsequent faschistisches Treiben benennen und Akteure der rechten Szene an die Öffentlichkeit bringen, ganz im Stil der „Totalitarismus-Theorie“ zu diffamieren.

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