Am 30.04. findet das nun schon 19. Antifaschistisches Straßenfest auf dem Heidelberger Uniplatz statt.
Dieses Jahr steht das Straßenfest unter dem Motto Solidarität mit dem kurdischen Widerstand
Beginn ist 18 Uhr, Neben Redebeiträgen, zahlreichen Ständen einem Agit-Prop-Theater und dem dem alljährlichen Polit-Quiz, gibt es Live-Musik von Autonomal (Zecken-Rap aus Mainz) und Analog Ruins (riot-grrrl-post-melodic-punk-wave aus Bremen).
Der Aufruf:
Solidarität mit dem kurdischen Widerstand!
Schluss mit der Unterstützung des türkischen Terror-Regimes!
Die türkische Regierung unter Erdogan steht bei den westlichen Staaten zurzeit hoch im Kurs. Das Regime kann sich vor Milliardenzahlungen und diplomatischen Avancen aus der EU kaum retten.
Es ist dabei völlig gleichgültig, ob täglich Berichte über die Aushöhlung der Grundrechte über die Bildschirme flimmern, über Schauprozesse gegen kritische Medien, Verhaftungen Oppositioneller oder die standrechtliche Erschießung kurdischer Jugendlicher.
Die Türkei bietet an, der EU mit brachialer Gewalt die Geflüchteten vom Hals zu halten, die vor den Weltordnungskriegen des Westens bei uns Zuflucht suchen. Da sind Menschenrechte eine zu vernachlässigende Größe.
Seit Jahren mischt die BRD im Krieg in Syrien mit, auch wenn ihre Kriegsziele immer diffuser und die Wahl ihrer Verbündeten logisch kaum mehr nachzuvollziehen sind.
Seit Jahren herrscht in weiten Teilen Syriens und der umliegenden Nationalstaaten der menschenverachtende Terror des islamistischen Daesh („Islamischer Staat“), und täglich werden Hunderte von Menschen von den dschihadistischen Banden massakriert oder verschleppt und misshandelt.
Insbesondere Frauen* und Mädchen werden von den „Gotteskriegern“ versklavt und brutaler sexueller Ausbeutung unterworfen. Daneben sterben Tausende Zivilist*innen in den Kämpfen der verschiedenen Bürgerkriegsparteien und durch die Bombardierungen westlicher Armeen, die vor Ort ihre eigenen geopolitischen Ziele verfolgen.
Inmitten dieses Schreckens hat sich im kurdischen Rojava in Nordsyrien ein emanzipatorisches Gesellschaftsprojekt entwickelt, das auf den Prinzipien von basisdemokratischer Selbstverwaltung und Gleichberechtigung beruht. Trotz der widrigen Bedingungen in einem vom jahrelangen Krieg zerstörten Gebiet beteiligen sich große Teile der Bevölkerung aktiv am Aufbau eines solidarischen Zusammenlebens, das allen gesellschaftlichen Gruppen gleiche Teilhabe und gleiche Rechte gewährt. Rätestrukturen auf allen Ebenen organisieren das tägliche Leben und sollen die Basisversorgung für alle sicherstellen. Dazu gehören der freie Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung sowie eine Demokratisierung und Kollektivierung wichtiger Wirtschaftsbereiche.
Dabei nimmt der Kampf für die Rechte von Frauen* eine besonders wichtige Rolle ein und wird in vielen Basisorganisationen und zivilgesellschaftlichen Projekten ebenso umgesetzt wie durch eigene Frauenräte und eine strikte Quotierung in Gremien und Ausschüssen. Auch die Entfaltungs- und Mitsprachemöglichkeiten von Jugendlichen werden durch eigene Organisierungsformen und Räte gefördert, und Minderheiten werden gezielt unterstützt und in die politischen Entscheidungsprozesse miteinbezogen.
Dieses emanzipatorische Projekt entsteht nicht nur unter extrem prekären und instabilen Ausgangsbedingungen, da viele der Städte und Dörfer der Region sowie weite Teile der Infrastruktur zerstört sind. Zugleich ist Rojava ständigen Angriffen durch die islamistischen Truppen ausgesetzt und muss einen ununterbrochenen militärischen Abwehrkampf führen. Die Selbstverteidigungskräfte der YPG/YPJ sehen sich dabei nicht nur Angriffen durch den Daesh gegenüber, sondern sind als linke Kurd*innen zudem im Visier der türkischen Armee, die regelmäßig ihre Stützpunkte bombardiert.
Von Anfang an hatte die Türkei die islamistischen Kräfte recht offen unterstützt und sie mit Waffen- und Lebensmittellieferungen versorgt, während sie zugleich etwas zögerlich ihren NATO-Partnern logistische Hilfestellungen in deren Kampf gab. Mit großer Feindseligkeit beobachtete die AKP-Regierung die fortschrittliche Bewegung in Rojava, die nicht nur diametral zu ihrer eigenen reaktionären Ideologie steht, sondern auch enge Verbindungen zur kurdischen Linken in der Türkei unterhält. Ein offener Angriff auf die YPG/YPJ, die insbesondere nach der Befreiung der ins Sengal-Gebirge geflüchteten Yezid*innen international Anerkennung gefunden hatten und von den westlichen Armeen als potenzielle militärische Bündnispartner*innen vor Ort gehandelt wurden, schien über lange Zeit hinweg nicht opportun.
Ausgerechnet den mörderischen islamistischen Anschlag auf eine Rojava-Solidaritätsveranstaltung im türkisch-kurdischen Suruç im Juli 2015 nahm das präsidialdiktatorische Erdoğan-Regime zum Anlass, um verstärkt gegen die kurdische Linke vorzugehen. Nachdem die rechte AKP-Regierung bereits zuvor den Friedensprozess mit der kurdischen PKK einseitig zum Stillstand gebracht hatte, begann sie nun mit der gezielten Bombardierung der YPG/YPJ-Stellungen und griff zugleich verstärkt die PKK in der Türkei sowie im Grenzgebiet zum Irak an.
Parallel begann eine brutale Repressionswelle gegen linke Aktivist*innen, in deren Verlauf Tausende verhaftet und mit Prozessen überzogen wurden, darunter Hunderte kurdische Kommunalpolitiker*innen, missliebige Journalist*innen und Anwält*innen. In den kurdischen Regionen wurde über viele Städte der dauerhafte Ausnahmezustand verhängt und die gesamte Zivilbevölkerung durch das türkische Militär terrorisiert. Zahllose Menschen starben durch Scharfschützen, die alle erschossen, die sich während der wochenlangen Ausgangssperre auf die Straße wagten. Gegenüber Journalist*innen und Menschenrechtsdelegationen blieben diese Gebiete abgeriegelt.
Dieser Krieg des türkischen Regimes gegen die kurdische Bevölkerung wurde international wenig beachtet: zu wichtig ist die Türkei als Brückenkopf der NATO in der Region, noch zentraler aber ist sie als Pufferstaat in der europäischen Bekämpfung der Menschen, die vor Daesh und den Kriegen in der Region auf der Flucht sind.
Bei ihrer Abwehr von Geflüchteten ist der Europäischen Union jedes Mittel recht, und sie ignoriert alle Untaten der AKP-Regierung: weder für die massive Verfolgung der Linken seit dem vergangenen Sommer noch für den militärischen Kampf gegen die kurdische Bevölkerung noch für die offene Wahlfälschung, mit der Erdoğan seine Macht sicherte, erntete die Türkei Kritik. Die freundschaftlichen Besuche von Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen westlichen Politiker*innen während des türkischen Wahlkampfs gaben vielmehr klare Signale, dass kein Ende der Zusammenarbeit in Sicht ist. So wird das Angebot der Türkei, die Geflüchteten auf ihrem Weg nach Europa aufzuhalten, seitens der EU mit enormen Zahlungen honoriert, und die Waffenlieferungen, die auch gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt werden, dauern fort.
Auch für weitere Gefälligkeitsgesten in der BRD selbst ist sich die deutsche Bundesregierung nicht zu schade. Dazu gehört die politisch motivierte Repression gegen kurdische Linke, die als PKK-Anhänger*innen nach dem „Anti-Terror“-Paragrafen 129b zu langen Haftstrafen verurteilt werden. Vorgeworfen werden ihnen dabei ausschließlich legale Aktivitäten wie etwa der Verkauf von Zeitungen, die Organisierung von Vorträgen oder Spendensammlungen. Mitglieder fortschrittlicher kurdischer Vereine werden mit unterschiedlichsten Repressalien überzogen, die von der Verschlechterung des Aufenthaltsstatus’ bis hin zur Einschränkung ihrer Grundrechte reichen: Mehrere baden-württembergische Städte verhängten pauschale mehrwöchige Demonstrationsverbote gegen die örtlichen kurdischen Gruppierungen. Selbst nicht-kurdische Unterstützer*innen werden massiv kriminalisiert: so wurde die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke in erster Instanz zu 10.000 Euro Strafe verurteilt, weil sie 2014 bei einem Redebeitrag in München für einige Sekunden eine PKK-Fahne gezeigt hatte. Im Februar 2016 wurde in Hannover das linke Zentrum Korn, in dem sich auch eine Kindertagesstätte befindet, von einem martialischen Sonderkommando durchsucht, da die Räume auch von kurdischen Gruppen genutzt werden.
Die Angriffe auf die kurdische Linke – sei es in Rojava, in der Türkei oder hier – sind ein Angriff auf uns alle. Uns alle verbindet der Kampf für eine solidarische Gesellschaft ebenso wie der Kampf gegen Repression und Staatsterrorismus.
Uns geht es nicht um eine stellvertretende Heroisierung eines fernen bewaffneten Widerstands, sondern um konkrete Solidarität. EU und BRD mischen aktiv im Syrienkrieg mit und unterstützen die Verfolgung der kurdischen Bewegung. Eine Linke, die mit dem Wort Solidarität noch etwas anfangen kann, darf dazu nicht schweigen.
Das diesjährige antifaschistische Straßenfest am 30. April in Heidelberg soll eine Möglichkeit geben, gemeinsam zu diskutieren, sich an den Infoständen zu vernetzen, aber auch gemeinsam zu feiern.
Gemeinsam wollen wir unseren Forderungen Ausdruck verleihen:
Solidarität mit Rojava und der kurdischen Linken!
Solidarität mit emanzipatorischen Bewegungen weltweit!
Für offene Grenzen – gegen die Festung Europa!
Gemeinsam gegen staatliche Repression und Faschismus!