
Auch dieses Jahr gibt es am 30. April wieder eine antifaschistische Vorabenddemo: Unter dem Motto „Patriarchat zerschlagen! Antifaschistisch – intersektional – international“ rufen wir gemeinsam mit linksjugend [’solid], ROSA Hochschulgruppe, Seebrücke, SJD – Die Falken und der VVN-BdA dazu auf, an diesem Abend kämpferisch auf die Straße zu gehen. Beginn ist um 19 Uhr an der Stadtbücherei/Schwanenteichanlage. An der Spitze der Demo wird es einen FLINTA*-Block geben, dem sich alle Frauen, Lesben, inter, non-binary, trans* und agender Personen gerne anschließen können.
Im Folgenden findet ihr den Aufruf zur Demonstration:
Patriarchat zerschlagen
Seit über 100 Jahren wird der 1. Mai als Arbeiter*innenkampftag begangen. Weltweit gehen Menschen für linke Gegenentwürfe und einen revolutionären Umsturz der ausbeuterischen und unterdrückerischen kapitalistischen Verhältnisse auf die Straße. Bis 1997 wurde dieser Anlass in Heidelberg von sexistischen und rassistischen Studentenverbindungen missbraucht, die um Mitternacht ihr reaktionäres Weltbild mit rechten Liedern auf die Straße getragen haben. Vor 28 Jahren wurde dies erstmals von der Autonomen Antifa Heidelberg verhindert. Seit diesem Tag bis heute halten Antifaschist*innen am 30. April die Stadt burschifrei. In dieser Tradition rufen wir auch dieses Jahr zur antifaschistischen Vorabenddemo auf und sagen misogynen Männerbünden den Kampf an: Patriarchat zerschlagen!
Antifaschistisch
Faschismus bringt ein reaktionäres und binäres Rollenbild der Geschlechter mit sich, das die Frau zur Mutter degradiert, deren Rolle es ist, Kinder zu gebären, zur Erhaltung „des Volks“. Dieses Rollenbild drängt Frauen in das Häusliche zurück, wo sie Care-Arbeit für Kinder und Mann zu leisten haben, statt ein selbstbestimmtes Leben zu leben.
1910 schlug Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz einen internationalen Frauentag vor, der später auf den 8. März festgelegt wurde. Der Tag, der noch heute für uns feministischer Kampftag ist, geht auf eine Initiative sozialistischer Organisationen für Gleichberechtigung, Frauenwahlrecht und Emanzipation der Arbeiterinnen zurück. 1918 wurde das Frauenwahlrecht in der Weimarer Verfassung verankert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wurden die Errungenschaften der ersten Welle des Feminismus, wie beispielsweise das Wahlrecht oder das Recht, höhere Berufe auszuüben, wieder rückgängig gemacht.
TINA*-Personen existieren für Faschist*innen schlichtweg nicht. So wurde beispielsweise der trans Frau Liddy Bacroff aus Ludwigshafen im Nationalsozialismus ihre Identität abgesprochen, sie wurde mehrfach nach Paragraph 175, der „homosexuelle Handlungen“ unter Männern unter Strafe stellte, verurteilt und im KZ Gusen I ermordet. Viele weitere TINA*-Personen wurden im Nationalsozialismus verfolgt und im Holocaust ermordet.
In den 1960er-Jahren erstarkte die feministische Bewegung in Deutschland wieder. Seitdem haben die zweite und dritte Welle des Feminismus immer weitere Rechte für FLINTA*-Personen erkämpft. Rechte Akteur*innen wie beispielsweise die AfD, die in ihren Reihen viele Burschenschafter hat, wollen dies erneut rückgängig machen und sprechen von einer Rückkehr zur „traditionellen Frau“ oder von der „traditionellen Familie“. Sie leugnen wissenschaftliche Fakten wie den Gender Pay Gap oder die Existenz von Geschlechtsidentitäten, die nicht in das binäre Konstrukt passen. Rechte fordern „eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ (Grundsatzprogramm der AfD), was dunkle Erinnerungen an Auszeichnungen wie das Mutterkreuz der Nationalsozialisten weckt. Die Entwicklungen in den USA seit der Wiederwahl Donald Trumps zeigen, dass Rechte eine Gefahr für FLINTA*-Personen sind: Unter anderem baut Trump dort aktuell immer weiter das Recht auf Abtreibung ab und hat per Dekret erlassen, dass es in den USA nur noch zwei Geschlechter gebe. Menschen mit einem nicht-binären Geschlechtseintrag im Pass können seitdem nicht mehr in die USA einreisen.
Faschist*innen sind Antifeminist*innen. Feminismus muss daher antifaschistisch sein! Ehe, Küche, Vaterland – unsere Antwort Widerstand!
Intersektional
Im Patriarchat sind cis Männer die Privilegierten und Frauen, Lesben, inter, trans und agender Personen die Diskriminierten. Aber auch mit anderen Diskriminierungsformen, wie zum Beispiel mit Rassismus, Ableismus oder Diskriminierung auf Grund von Klasse, gibt es Überschneidungen. Diese Diskriminierungsformen wirken nicht nur nebeneinander, sondern können sich gegenseitig verstärken. Die ehemals versklavte Frauenrechtlerin und Abolitionistin Sojourner Truth verwies bereits 1851 auf die Verschränkung von Sexismus und Rassismus: Auf einem Frauenkongress hielt sie ihre berühmte Rede „Ain’t I a Woman?“, in der sie berichtete, wie ihr ihr Frau-Sein abgesprochen wurde, weil sie Schwarz war. Ein aktuelles Beispiel sind Weiße, die in Talkshows muslimischen Frauen mit Kopftuch absprechen, mündig zu sein.
Diskriminierung wirkt in unserer Gesellschaft als Platzanweiser auf gesellschaftliche Positionierungen. Intersektionalität macht deutlich, dass diese komplex und vielschichtig sind. So trifft das Patriarchat nicht alle FLINTA* gleichermaßen. So erfahren zum Beispiel behinderte FLINTA* oder geflüchtete FLINTA* mehr Diskriminierung als eine weiße CEO.
Im Kampf gegen das Patriarchat geht es nicht nur um die Ermächtigung von weißen Oberschichtsfrauen, sondern um die Befreiung aller. Nur ein Feminismus, der die Mehrfachdiskriminierungen und Verschränkungen von Diskriminierungsformen mitdenkt, nur ein Feminismus, der intersektional ist, kann dies erreichen. Andernfalls droht die Gefahr, in Forderungen nach mehr Frauen in Vorstandspositionen abzudriften, ungeachtet dessen, dass auch Chefinnen im patriarchalen Kapitalismus FLINTA* ausbeuten und unterdrücken. Wir wollen aber keine anderen Unterdrücker*innen – wir wollen, dass kein Mensch andere Menschen unterdrückt! Der Kampf um Befreiung ist intersektional!
International
Alle Staaten sind patriarchal. Im vorherrschenden Diskurs in Deutschland wird dies oft verzerrt. Über die Herkunft von Tätern verschiedenster Straftaten wird in den Medien selektiv berichtet. 2023 waren die Täter*innen in der Fernsehberichterstattung in 84,2% der Fälle Ausländer*innen, während sie es in der Polizeistatistik nur in 33,3% waren. Unter anderem durch eine solche Verzerrung wird im vorherrschenden Diskurs ein Schreckensbild vom „arabisch-muslimischen Mann“ konstruiert,dessen patriarchale Verhaltensweisen eine Gefahr für „unsere Gesellschaft“ darstellen würden. Rassist*innen aus der Mitte unterhalten sich folglich bei Markus Lanz zum zwanzigsten Mal über eine „eingewanderte Gefahr“ durch männliche Geflüchtete, während die Sondersendung über den 16. Femizid in den ersten vier Monaten dieses Jahres ausbleibt. Redet Friedrich Merz mit Blick auf die Migration von „kleinen Paschas“, ist dies eine Strategie, vom hiesigen Patriarchat abzulenken. Wenn es gegen Geflüchtete geht, entdecken deutsche Sexisten ihr Interesse für Frauenrechte. Diesem Ablenkungsmanöver müssen wir mit internationaler Solidarität und einer antirassistischen Perspektive entgegentreten und das Patriarchat in allen Staaten dieser Welt angreifen. Wir stellen uns gegen jeden Versuch, mit Rassismus vom deutschen Patriarchat abzulenken, und solidarisieren uns mit den feministischen Befreiungskämpfen weltweit.
Ein Vorbild für diesen Befreiungskampf ist Rojava in Nordsyrien. Seit 2012 in Kobanê die Revolution startete, haben sich Frauen dort viele Rechte erkämpft. Die YPJ hat einen entscheidenden Beitrag zur Niederschlagung des patriarchalen IS beigetragen. Die kurdische Selbstverwaltung Rojava ist ein emannzipatorisches Projekt. In einer Erklärung der Kurdischen Frauenbewegung in Europa aus dem Jahr 2020 heißt es: „An die Stelle der 5.000 Jahre alten Realität der im Haus eingesperrten und nur zum Gehorsam erzogenen Frau wurde die Wirklichkeit einer Frau, die ihren Willen vertritt, Politik macht und entwickelt, für ihre eigene Sicherheit sorgt und in jedem Aspekt des Freiheitskampfes aktiv ist, gesetzt.“ Akuell steht Rojava unter türkischem Beschuss, da die Selbstermächtigung der Kurd*innen dem Patriarchen und antikurdischen Rassisten Erdoğan und seinem Regime ein Dorn im Auge ist. Würden deutsche Herrschende es ernst meinen, wenn sie eine „feministische Außenpolitik“ proklamieren, würden sie die ethnische Säuberung der Türkei verurteilen und nicht zur Entwaffnung der Angeriffenen aufrufen. Das Beispiel Rojava zeigt: Wir müssen es selber machen! Weltweit gegen das Patriarchat!