Bei der jährlichen Gedenkveranstaltung am 1. November auf dem Heidelberger Bergfriedhof versammelten sich trotz strömenden Regens etwa hundert Menschen, um gemeinsam an die von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer*innen zu erinnern. Die AIHD/iL beteiligte sich auch 2019 wieder mit einem Grußwort:
„Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
wir haben uns heute hier versammelt, um den Kämpfer*innen Tribut zu zollen, die für die Freiheit vom Hitler-Faschismus den höchsten Preis zahlten. Es gilt – wie jedes Jahr -, dem Vergessen entgegenzuwirken und an die Taten und Ideale dieser mutigen Menschen zu erinnern.
Doch der Kampf gegen den Faschismus gehört nicht der Vergangenheit an.
„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.“ Dieser Satz ist Motivation unserer Anstrengungen.
Um ein Sich-Wiederholen der Geschichte zu verhindern, gilt es also, die Zeichen der Zeit frühzeitig zu erkennen. Und die Zeichen unserer Zeit stehen eindeutig auf Rechtsruck.
Ein spürbar kühler Wind geht um in der Republik, der Hass und die Gewalt gegen Geflüchtete, Muslime und Jüdinnen und Juden nimmt seit Jahren zu.
Bestärkt werden Ressentiments durch den Aufstieg der faschistischen AfD und ihre Parolen, gerechtfertigt durch rassistischen und menschenverachtenden politischen Alltag wie Abschiebungen oder die EU-Abschottungspolitik. Es ist ein Klima, aus dem in bedrohlichem Umfang Terror entsteht.
Zu nennen sind für die BRD in jüngster Zeit – neben den zahlreichen Übergriffen und Anschlägen auf Asylunterkünfte – der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke am 2. Juni dieses Jahres und der antisemitische Anschlag in Halle vor drei Wochen. Dass nach einem faschistischen Terroranschlag immer wieder Fassungslosigkeit bekundet wird, ist nicht hilfreich und mutet gefährlich naiv an.
Lange schon warnen antifaschistische Gruppen vor der Gefahr bewaffneter und untergetauchter Neonazis. Doch oftmals wird diese Gefahr bagatellisiert, und es wird offensichtlich, wie beim Mörder von Walter Lübcke, nicht entsprechend gehandelt.
So fordern wir, dass faschistische Organisationen wie Combat 18 nicht kleingeredet, sondern verboten werden, und die neonazistische Szene konsequent entwaffnet wird.
Lange schon berichten jüdische und migrantische Communities von der akuten Bedrohungslage und prangern an, nicht gehört zu werden von Seiten der Politik und Behörden, aber auch von zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Seite wie bei der rassistischen Mordserie des NSU. Auch hier fordern wir endlich Aufklärung und die Freigabe aller Akten im Zusammenhang mit den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds. Auch hier liegt es an uns, zu erinnern und die Fehler nicht zu wiederholen.
Der rechte Terror hat in der Bundesrepublik Tradition, und es ist an der Zeit, ihm ein Ende zu bereiten. Dafür müssen die Verstrickungen der Geheimdienste, insbesondere des so genannten Verfassungsschutzes, sowie die rechten Netzwerke in Polizei und Bundeswehr aufgeklärt und aufgedeckt werden.
Der Rechtsruck schlägt sich in allen Teilbereichen der Gesellschaft nieder. Faschisten in jedem dieser Bereiche zu isolieren, egal ob auf der Straße, in Vereinen, in den Köpfen oder den Gemeinderäten, und nicht auf ihre Angebote hereinzufallen, sondern sie stattdessen entschieden zu bekämpfen, kurz gesagt: eine Normalisierung nicht zuzulassen, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.
Dies ist nicht nur legitim, sondern das Gebot der Stunde, und alle, die hier eine „undemokratische Haltung“ oder „Meinungsdiktatur“ erkennen wollen, stehen auf der Seite der Faschisten bei ihrer Mission der Zerstörung der Zivilgesellschaft. Es zeigt sich immer wieder, dass wir uns auf die so genannte Mitte nicht verlassen können, und es an uns liegt, genau das zu verhindern, den Rechtsruck zu stoppen und stattdessen eine solidarische Gesellschaft aufzubauen, in der Hass, Rassismus und Ausbeutung keinen Platz finden.
Hier müssen wir auch aus den Fehlern der Arbeiter*innenparteien der Weimarer Republik lernen, die es nicht schafften, eine antifaschistische Einheit gegen den Faschismus zu formen. Erst in der Illegalität, wie in der Gruppe um Georg Lechleiter, kämpften Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen gemeinsam.
Peter Gingold sagte einmal: „Dass dieses gemeinsame Handeln nicht zustande kam, dafür gab es für die Hitlergegner in der Generation meiner Eltern nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist. Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern!“
Er hatte Recht.
Dass es kühler wird in der BRD, sehen wir auch an einer zunehmenden Militarisierung. Immer lauter werden die Rufe aus der so genannten Mitte nach mehr außenpolitischem Engagement und dem Übernehmen von militärischer Verantwortung: beschönigende Worte aus dem bürgerlichen Feuilleton und der Politik, um den deutschen Großmacht-Ambitionen einen humanistischen Anstrich zu verleihen.
Wir erinnern uns, wie der Einsatz der Bundeswehr in Jugoslawien 1999 gerechtfertigt wurde.
Wir haben nicht vergessen, wer den Krieg im Irak und in Syrien begonnen hat.
Es waren und sind die Armeen der NATO, welche die Region destabilisierten und den Aufstieg des IS begünstigten. Es ist eine NATO-Armee, die jetzt in Nordsyrien einfällt und mit Hilfe von islamistischen Milizen ethnische Säuberungen durchführt. Und nun will sich eine weitere NATO-Armee als Ordnungsmacht inszenieren? Es geht hier nicht um Frieden, sondern um geopolitische und ökonomische Macht. Die deutsche Industrie profitiert von der Militarisierung des AKP-Regimes in der Türkei, und die US-Streitkräfte sichern die Ölquellen im Osten Syriens.
So, wie es das Ziel der illegalen Zeitschrift „Der Vorbote“ war, die Mobilisierung der Nazis gegen die Sowjetunion zu unterwandern, so ist es unsere Aufgabe, dem Krieg einer NATO-Armee gegen das fortschrittliche Projekt der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien entgegenzutreten und die Großmacht-Bestrebungen der BRD anzuprangern.
Nein die deutsche Politik muss keine militärische Verantwortung in Syrien übernehmen.
Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen, daher lautet unsere Parole immer noch: Krieg dem imperialistischen Krieg!“