Trotz kurzer Mobilisierungszeit versammelten sich am 25. November 2024 über 60 Aktivist*innen vor dem Heidelberger Hauptbahnhof zur Kundgebung gegen Femizide und patriarchale Gewalt. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die Kampagne „Abtreibung legalisieren – jetzt!“, Seebrücke und solid hatten gemeinsam zu der Aktion unter dem Motto „Kämpfen für jede Frau! Femizide stoppen!“ aufgerufen.
Zu den Redebeiträgen der vier veranstaltenden Gruppen kam noch ein Kurzbeitrag einer Teilnehmerin, die auf feministische Kämpfe international hinwies. Viele Passant*innen schauten am Infostand vorbei und hörten sich einzelne Reden an. Auf einem vorbereiteten Transparent mit dem Slogan „Ni una menos! Femizide stoppen!“ hinterließen dutzende anwesende FLINTA* blutrote Handabdrücke, was für viel Aufmerksamkeit sorgte. Mit der Kundgebung am internationalen Aktionstag gegen patriarchale Gewalt konnten wir damit das Thema erfolgreich in die Öffentlichkeit tragen.
Im Folgenden dokumentieren wir unsere Rede bei der Kundgebung.
Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,
der 25. November ist 1981 als Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen eingeführt worden und wird heute als Aktionstag gegen Femizide und patriarchale Gewalt begangen. An diesem Tag steht eine große Bandbreite patriarchaler Gewalt im Fokus – von häuslicher Gewalt und anderer patriarchaler und sexualisierter Gewalt im privaten Umfeld und im Alltag über strukturelle Gewalt in allen Bereichen von Staat und Gesellschaft bis hin zu geschlechtsspezifischer ökonomischer Gewalt.
Der Kampf gegen patriarchale Gewalt kann nicht isoliert gedacht werden vom Kampf gegen andere Formen von Ausbeutung und Menschenverachtung. Wir müssen dabei in den Blick nehmen, dass beispielsweise Rassismus, Ableismus oder Klassismus jeweils spezifische Formen patriarchaler Gewalt hervorbringen, die auch gezielt bekämpft werden müssen. Vor allem kann der feministische Kampf nicht getrennt werden von Antifaschismus.
Schon die Ursprünge des Tages sind eng damit verbunden: Die drei Schwestern Patria, Minerva und María Teresa Mirabal waren in den 1940ern und 1950ern im Widerstand gegen den rechten Militärdiktator Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik. Jahrelang waren die Schwestern führend aktiv in der Bewegung 14. Juni. Mehrmals wurden sie verhaftet, kamen aber immer wieder frei. Am 25. November 1960 wurden die drei Aktivistinnen auf Geheiß von Trujillo in den Bergen überfallen und ermordet.
Es waren also rechte Morde an linken Widerstandskämpferinnen, die den Anlass gaben, den 25. November als Tag gegen patriarchale Gewalt zu wählen. Und bis heute ist der Kampf gegen reaktionäre und rechte Strömungen und Gruppierungen von zentraler Bedeutung für die feministische Bewegung: Nur wenn wir es schaffen, den patriarchalen Backlash zurückzudrängen und elementare Errungenschaften früherer feministischer Kämpfe zu verteidigen, nur dann können wir auch weitere Erfolge im Kampf gegen die anhaltende patriarchale Gewalt erreichen.
Seit einigen Jahren erleben wir eine Rechtsentwicklung in allen Bereichen, die mit einem Neuaufschwung patriarchalen Denkens und gewaltförmiger Praktiken einhergeht.
Antifeminismus von faschistischen Gruppen, von rechten Studentenverbindungen, aggressiven Abtreibungsgegner*innen und AfD breiten sich aus und werden wieder zunehmend anschlussfähig. Die Haltung des „Das wird man doch mal sagen dürfen“ und „Die sollen sich nicht so haben“ ist nicht mehr nur stammtischkompatibel, sondern wird in vielen Kreisen auch wieder salonfähig. Rechte Akteur*innen vertreten offensiv klassische Rollenbilder und ein strikt binäres Geschlechterbild, und die reaktionäre Hetze gegen feministische Errungenschaften und political correctness – insbesondere gegen Gendern und andere Formen geschlechtersensibler Alltagspraktiken – sind allgegenwärtig.
Im Internet erreichen antifeministische, frauen*feindliche und transphobe Angriffe schwindelerregende Ausmaße. Sie bleiben aber nicht auf den digitalen Raum beschränkt:
Verbale und physische Übergriffe und Belästigungen gehören zu Alltagserfahrungen von Frauen und TINA*-Personen, die Zahl brutaler Gewalttaten nimmt rapide zu, nicht zuletzt massive Gewalt durch Partner und Ex-Partner.
Sogar nach den offiziellen staatlichen Statistiken, die nicht berühmt sind für ihre Sensibilität gegenüber patriarchaler Gewalt, erreichte das Jahr 2023 einen erschreckenden Höchststand: 360 Femizide – also faktisch jeden Tag eine von uns, die durch mörderische patriarchale Gewalt aus dem Leben gerissen wurde. Hinzu kommen eine hohe Dunkelziffer und all die Frauen und TINA*-Personen, die einen potenziell tödlich verlaufenden Angriff schwerverletzt überlebten.
Queerfeindlichkeit und Antifeminismus sind also auf dem Vormarsch, und das Erstarken der AfD begünstigt diese Entwicklung. Im Windschatten der AfD segeln reaktionäre Politiker*innen anderer Parteien auf der antifeministischen Welle mit, und andere frauen*- und queerfeindliche Bewegungen werden stärker. Elementare feministische Rechte, aber auch unsere körperliche Unversehrtheit und unsere Leben sind dadurch zunehmend in Gefahr.
Wohin das führt, zeigt das Beispiel USA, wo seit dem Wahlsieg von Donald Trump alle rechten Gruppierungen und Ideologien Morgenluft wittern – nicht zuletzt gewaltförmige patriarchale Strömungen von Evangelikalen bis INCELs. Schon im Wahlkampf gehörten antifeministische Statements zu den Grundpfeilern der Trump-Propaganda, und Trump selbst deklarierte Frauen zu Objekten, über die Männer bestimmen. TINA*-Personen erkennt er ohnehin die Existenz ab.
Seit dem Wahlsieg nehmen verbale und körperliche Angriffe gegen Frauen und TINA*-Personen massiv zu. Am offensichtlichsten wird das an der Parole „Your body, my choice“ des rechtsextremen Influencers Nick Fuentes, der Frauen und TINA*-Personen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung abspricht und eine unverhohlene Vergewaltigungsdrohung beinhaltet. Seither ging der Slogan viral, und der patriarchale Backlash bricht sich in offener Hate Speech gegen FLINTA* Bahn.
Dass die antifeministische Gewalt nicht auf Drohungen und Gewaltphantasien im digitalen Raum beschränkt bleibt, sondern auch direkt in brutale körperliche Übergriffe umgemünzt wird, zeigte Fuentes selbst: Als ihn eine jüdische Feministin an seiner Haustür für seine Hasstiraden kritisieren wollte, attackierte er sie mit Pfefferspray. Landesweit häufen sich beispielsweise an Schulen sexualisierte Übergriffe durch männliche Jugendliche und Kinder, die den Slogan verwenden und Mädchen, junge Frauen und junge TINA*-Personen belästigen, begrapschen und attackieren.
Wenn wir also heute gegen patriarchale Gewalt und gegen Femizide auf die Straße gehen, müssen wir zugleich auch ein Zeichen gegen die faschistischen Bewegungen, gegen die rechten Parteien und anderen reaktionären Akteur*innen setzen. Nur wenn wir effektiv gegen diese antifeministischen Strömungen vorgehen, können wir unsere Rechte verteidigen und den patriarchalen Backlash zurückdrängen.
Der Kampf gegen patriarchale Gewalt ist immer antifaschistisch!