Das Tribunal „NSU-Komplex auflösen!“ im Mai 2017 in Köln rückte die Perspektiven von Betroffenen der Verbrechen der rechten Terrorgruppe NSU und die Stimmen von Überlebenden der Gewaltwellen aus den 1990er Jahren sowie weitere bisher ungehörte Stimmen in den Vordergrund. Die Kontinuität des gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus konnte nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Doch nach dem Tribunal ist vor dem Tribunal! Aus der Erfahrung des Tribunals soll dessen Perspektive weitergetragen und weiterentwickelt werden: „Wir müssen reden hadi!“ heißt es deshalb vom 22. bis 25. November 2018 in Mannheim.
Angeklagt werden Nazi- sowie Macht-Strukturen in dieser Gesellschaft; der institutionelle Rassismus und die Verantwortlichen werden benannt. Die Anklageschrift des Kölner Tribunals wird um die Geschichten aus Baden-Württemberg und anderswo erweitert. Es wird die Realität einer Gesellschaft dargestellt, die diese Geschichten nicht hören will oder nicht hörbar macht. Doch die Geschichten werden weitergeschrieben und reißen nicht ab. Heute führen die Debatten über Zahlen, Nützlichkeit und Prozente von Geflüchteten erneut zu Gewaltausschreitungen. Die Menschen, die diese brutalen Realitäten kennen, werden diese klar benennen und ihre Kämpfe sichtbar machen.
Am Donnerstag, den 22. November werden an verschiedenen Locations in Mannheim, in Geschäften und an Orten des alltäglichen Lebens, Filme gezeigt, bevor am Freitag, den 23. November das Hauptprogramm beginnt.
Die Eröffnung des Tribunals findet am 23. November in Gedenken an Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz und Bahide Arslan statt, die 1992 in Mölln ermordet wurden. An diesem Tag konzentriert sich das Programm auf die Lebensrealitäten der Gastarbeiter*innen und deren Kämpfe in Mannheim und überall. In Mannheim-Schönau gab es 1992 ein versuchtes Pogrom – rechte Gewaltausschreitungen im Westen, die kurz vor Rostock-Lichtenhagen aufgehalten wurden. Diese und andere Pogrome stellen einen Angriff auf migrantisches sowie jüdisches und romno Leben dar. Überlebende und Zeitzeug*innen ergreifen das Wort.
Am Samstag, den 24. November eröffnen Ibrahim Arslan und Can Candan das Hauptprogramm: Vom Mauerfall bis zur Nagelbombe. Danach berichten Betroffene über die rassistischen Ermittlungen in der Mordserie des NSU. Auch in Heilbronn litten Menschen über Jahre hinweg durch antiziganistische Ermittlungen.
Und was bedeutet die gefundene „10.000er Liste“ mit ausgespähten Zielen? Gibt es weitere Opfer? Wer sind die lokalen/regionalen Unterstützer*innen aus der Nazi-Szene? Was bedeutet das Ende des NSU-Prozesses in München, und wie verhielt sich die Presse bis dahin? Der NSU-Komplex ist kein Einzelfall. Auch das wird an diesem Tag deutlich und unüberhörbar werden. Gemeinsam wird über die dringlichen Kämpfe gesprochen, über Forderungen, Umgangsstrategien und Perspektiven. Gemeinsam klagen wir, klagen wir an und gemeinsam klagen wir ein – eine Gesellschaft, die diese Verhältnisse ändert.
Das Treffen geht am 25. November weiter. Dabei sind alle, die sich der Anklage gegen Rassismus anschließen möchten, eingeladen, ihre Geschichte mit uns zu teilen, eine Gegenerzählung zu entwerfen und sich noch stärker zu vernetzen.
Das Hauptprogramm wird ergänzt durch Workshops, Installationen, Stadtführungen und Ausstellungen. Das vorläufige Programm findet ihr unter nsu-tribunal.de/mannheim
Kostenlose Tickets können bestellt werden unter mannheim[at]nsu-tribunal.de
Das Hauptprogramm findet in der Kunsthalle (Friedrichsplatz 4, Mannheim-Innenstadt) statt, das Rahmenprogramm an verschiedenen Orten, großteils bei RomnoKher Mannheim (B7 Nr. 16).
(aus: break-out, Monatsschrift der AIHD/iL, November 2018)